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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde
Autoren: Tiffany Reisz
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erschrocken.
    Søren lächelte begütigend. „Ich bin gleich da“, versprach er, und sie lächelte wieder.
    Father Henry legte ihr eine weitere Jacke um die Schultern und führte sie hinaus in die Kälte.
    Fast eine Minute standen sie schweigend da, während die Schüler und Priester an ihnen vorbei ins Freie gingen. Keiner von Kingsleys Klassenkameraden gratulierte Søren. Keiner schaute auch nur in seine Richtung. Sie waren allesamt von Eifersucht zerfressen. Da war dieses perfekte Mädchen an ihre Schule gekommen, und alle hatten sie vergöttert. Und dann hatte sie ausgerechnet denjenigen erwählt, vor dem sich jeder fürchtete. Als Letzter verließ Kingsleys Freund Christian die Kapelle. Als er in der Tür stand, drehte er sich noch einmal um und sah ihn an.
    Seine Lippen formten lautlos eine Frage. Geht es dir gut? Søren würdigte er keines Blickes.
    Kingsley nickte. Aber das Nicken war eine Lüge.
    „Es geht dir nicht gut“, sagte Søren, als sie endlich allein in der Kapelle waren.
    „Nein. Es geht mir nicht gut.“
    „Ich habe das für uns getan, Kingsley.“
    „Ich wünschte, du hättest es nicht getan.“
    „Die Heirat wird euch beiden helfen.“
    Kingsley atmete aus, und die Luft aus seinen Lungen wurde in der kalten Umgebung zur dichten Dampfwolke. Es sah so aus, als ob er Feuer ausatmete.
    „Sie gehört uns nicht. Erinnerst du dich nicht an unseren Traum? Das Mädchen, das wilder ist als wir beide zusammen. Mit grünen Haaren und schwarzen Augen.“
    „Schwarzem Haar und grünen Augen“, korrigierte Søren. „Ungezähmt.“
    „Aber nicht unzähmbar.“ Kingsley wusste noch jedes Wort ihrer gemeinsamen Fantasie. „Wir wollten sie teilen.“
    „Weil kein Mann allein genug für sie wäre.“
    „Die unheilige Dreifaltigkeit.“ Kingsley streckte den Arm aus und nahm Sørens Hand in seine.
    „Du weißt, dass ich aus einer reichen Familie komme. Und auch wenn er sich noch so anstrengt – offenbar schafft mein Vater es nicht, einen zweiten Sohn zu zeugen. Normalerweise hätte ich meinen Treuhandfonds mit einundzwanzig Jahren ausgezahlt bekommen. Da ich nun verheiratet bin, bekomme ich ihn sofort.“
    „Du hast meine Schwester geheiratet, um früher an dein Geld zu kommen?“
    „Nein.“ Søren drehte sich um und sah direkt in Kingsleys Augen. „Ich habe sie geheiratet, damit wir früher an mein Geld kommen. Du und ich. Und sie natürlich auch. Ich weiß doch, wie sehr du sie liebst, wie sehr du sie vermisst hast. Jetzt können wir alle zusammen sein.“
    „Sie glaubt, dass du sie liebst.“
    „Sie wird das verstehen. Wenn sie nur über die Hälfte deiner Intelligenz und Einsicht verfügt, wird sie begreifen, wie klug dieses Arrangement ist.“
    Kingsley sah ihn verblüfft an. Intelligenz und Einsicht? Waren diese Worte eben wirklich über Sørens Lippen gekommen? Wie oft hatte Søren ihn zu Boden gedrückt und ihm verächtlich zugeflüstert, wie wertlos und nutzlos er war! Meinte er das etwa gar nicht so?
    „Sie ist meine Schwester.“
    „Ich weiß. Und ich weiß, wie gern du sie hast. Ich habe nicht die Absicht …“ Er unterbrach sich, aber die Worte, die er nicht sagte, waren genau das, was Kingsley jetzt hören musste.
    „Du wirst nicht mit ihr …“
    „Ich kann nicht – das weißt du doch besser als jeder andere.“ Ein leichtes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, das erste, das Kingsley seit Tagen bei ihm gesehen hatte.
    „Du könntest schon, wenn du …“ Wenn er Marie-Laure Schmerzen zufügen würde. Wenn er sie so behandelte, wie er Kingsley behandelte, mit Gewalt und Hohn, wenn er sie schlagen und demütigen und sexuell degradieren würde, dann könnten die beiden sich körperlich lieben. Aber nur dann.
    „Das will ich nicht. Ich bin nicht auf diese Weise an ihr interessiert. Nur an dir.“
    Kingsley fasste wieder Hoffnung. „Nur an mir? Warum?“
    Jetzt breitete sich das Lächeln über Sørens ganzes Gesicht aus. Kingsley verschlug es fast den Atem. Nicht mal Marie-Laure in all ihrem Glanz und Glück war so schön wie dieses Lächeln.
    Søren legte seine Hand an Kingsleys linke Wange, und Kingsley schloss die Augen und genoss das Gefühl von Sørens Haut auf seiner. Wie lange würde es dauern, bis er das erneut fühlen konnte?
    „Musst du das wirklich fragen?“, flüsterte Søren.
    „Ja.“
    Er sagte nichts weiter, aber Kingsley spürte Sørens Lippen auf seinen. Und in dieser Sekunde verstand er endlich. Søren hatte Marie-Laure nicht geheiratet, weil er sie
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