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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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der Öffnung des Schädels Blut aus den Obduktionsschnitten aus und sammelte sich im unteren Schädelteil, sodass die subdurale Blutung noch größer aussah. Da lag die Verwechslung mit einer Schlagverletzung nahe, aber in Wahrheit stimmen die Befunde mit den Aussagen der Polizeibeamten überein, dass der Kopf des Opfers nicht auf den Boden prallte.«
    »Ihrer Meinung nach …«, fauchte Manny, die merkte, dass sich Unsicherheit auf den Gesichtern der Geschworenen ausbreitete. Wenn dieser schwadronierende Auftragsexperte sie überzeugt – »Meine Meinung«, sagte Rosen, »wird dadurch erhärtet, dass der Gerichtsmediziner Erbrochenes auf der Kleidung des Opfers gefunden hat. Erbrechen ist ein klassisches Symptom für ein geplatztes Berry-Aneurysma.«
    Manny spürte, wie ihr Blutdruck in die Höhe schoss. Einzelne Haarsträhnen klebten ihr feucht an den Wangen. Dieser Mistkerl verdrehte die Leidensgeschichte des Mädchens, um die Cops rauszuhauen. »Das Erbrochene«, sagte sie, »ist Beleg für die Brutalität, mit der sechs Polizisten eine junge Frau von nicht mal fünfzig Kilo behandelt haben. Oder haben Sie Dr. Sumets Bericht nicht gelesen?«
    »Doch, das habe ich. Aber ihm ist entgangen, dass das Erbrochene, das man auf ihrem Jackenärmel fand, Eier, Tomaten und Tortillas enthielt.«
    »Genau. Das Frühstück des Opfers.«
    »Ms. Manfreda«, sagte Rosen geradezu triefend vor Herablassung, »nach Aussage ihrer Familie nahm Miss Carramia ihr Frühstück vormittags gegen halb elf ein. Falls sie sich vier Stunden später als Folge der Festnahme erbrach, hätte sie es fast verdaut haben müssen. Dem war aber nicht so. Das ist der Beweis dafür, dass das Erbrechen der Festnahme vorausging. Das Mädchen ist eines natürlichen Todes gestorben. Das ist wissenschaftlich eindeutig.«
    Manny schielte zu den Geschworenen hinüber. Die glauben ihm. Sie fühlte sich elend, fror. Gegenangriff. Aber wie? »Dr. Rosen«, sagte sie, »abgesehen von dieser fragwürdigen Spekulation, haben Sie keine handfesten Beweise dafür, was Miss Carramia widerfahren ist, oder?«
    Er lehnte sich zurück, unerträglich gelassen. Sie hatte eine Vision von ihm mit Pfeife und Pantoffeln. »Der Körper erzählt die Geschichte, immer«, sagte er. »Nicht nur, wie Menschen gestorben sind, sondern auch, wie sie gelebt haben.«
    Sie spürte ein ängstliches Frösteln. Auch wenn er ein arroganter Blödmann ist. Vergiss es. Bring einfach dein Kreuzverhör hinter dich.
    »Was Sie nicht sagen, Dr. Rosen. Soll das heißen, Sie können aus einem Leichnam genauso viel herauslesen wie ein Wahrsager aus dem Kaffeesatz?« Fehler! Stell nie eine Frage, die du nicht beantworten kannst. »Bitte sehr. Klären Sie uns auf. Was wissen Sie über den Tod von Esmeralda Carramia, das in zwei Jahre dauernden Ermittlungen nicht ans Licht gekommen ist?«
    »Zum einen«, sagte er, »dass sie Mitglied einer Gang war.«
    Manny hörte ein Aufkeuchen und schaute sich um. Mrs. Carramia hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schluchzte.
    »Das beweisen die Obduktionsfotos«, sprach Rosen weiter. »Miss Carramia hatte ein Tattoo, und zwar ein Pachuco-Kreuz.«
    Manny atmete erleichtert durch. »Sie meinen ein Kruzifix? Ein religiöses Symbol?«
    Jetzt sah Rosen die Geschworenen direkt an. »Ein einfaches Kreuz mit drei kleinen Strichen um das obere Ende herum. Es ist ein Erkennungszeichen für Straßengangs, wird oft mit Tinte oder Asche gemacht. Das von Miss Carramia hatte außerdem auf der unteren rechten Seite noch einen weiteren Strich.« Seine Stimme wurde leiser. Die Geschworenen beugten sich aufmerksam lauschend vor. »Das ist ein Zeichen für Heroinabhängig­keit. Bei den ganz harten Gangs ist es eine Art Ehrensymbol. Solche Tattoos werden übrigens meistens in Gefängnissen gemacht.«
    Manny war schwindelig. Sie nahm Mr. Carramia wahr, der mit aschfahlem Gesicht seine Frau aus dem Saal führte. Die beiden sahen aus wie zwei Kinder, die man mit der Hand im Bonbonglas erwischt hatte. Rosen hatte ihr engelgleiches kleines Mädchen in eine drogenabhängige, klauende Gewohnheitskriminelle verwandelt. Und ihre Eltern hatten es die ganze Zeit gewusst. »Beantrage Streichung«, sagte sie tonlos. Verloren. Ich habe verloren.
    Einer der Verteidiger war aufgesprungen. »Die Anwältin der Gegenseite hat die Tür selbst geöffnet, als sie Miss Carramias Mutter zur makellosen Vergangenheit ihrer Tochter befragte.«
    Der Richter nickte. »Allerdings, das hat sie.«
    Das Publikum
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