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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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Dynamik, Exemplare der einheimischen Tierwelt: Rinder, Rotwild und Europäische Wildesel, Vorfahren des heutigen Esels. Anders aber als etwa die Urheber der berühmten Felszeichnungen von Lascaux interessierten sich die sizilianischen Künstler auch für menschliche Sujets: Wir werden offenbar Zeugen eines Rituals, das von drei männlichen Figuren ausgeführt wird.
    Eine religiöse Zeremonie scheint auch das Thema einer anderen Felszeichnung zu sein, die 1952 in der Grotta dell’Addaura auf dem Monte Pellegrino bei Palermo gefunden wurde. Auch hier sind neben Rindern, Pferden und Rotwild Menschen dargestellt. Acht anscheinend männliche Figuren tanzen um zwei liegende, ebenfalls männliche Gestalten in Fesseln. Einem der Tänzer ist eine kleinere, offenbar weibliche Figur beigegeben. Vermutlich stellt diese Szene, ebenso wie die Zeichnung von Levanzo, ein Jagdritual dar, bei dem gefesselte Darsteller die Rolle von Beutetieren einnahmen.
    Die Felszeichnungen aus dem 9. Jahrtausend v. Chr. markieren den Übergang |13| zum Mesolithikum, als Menschen sich einer veränderten Umwelt anzupassen hatten und vor allem stärker zur Nutzung von Gewässern – durch Bootsbau und Fischfang – übergingen. In der Höhle von Uzzo an der sizilianischen Westküste fanden sich Relikte einer mesolithischen Gemeinschaft, die von der Jagd auf Rotwild, Wildschweine und Vögel lebte, aber ihren Speisezettel auch durch das Sammeln wilder Früchte und von Muscheln aufbesserte sowie, in wachsendem Maße, durch Fischfang. Die Funde von Uzzo, zu denen auch sechs Bestattungen gehören, datieren in die Zeit zwischen ca. 10   000 und 6200 v. Chr.
     Höhlenmalerei in der Grotta del Genovese auf der Insel Levanzo bei Sizilien. Die Höhlenmalereien stammen aus der Steinzeit und sind 10   000 bis 12   000 Jahre alt.
    Sie gingen damit dem Neolithikum voraus, das auch in Sizilien den Übergang zu sesshaften Lebensformen und zur agrarischen Produktion brachte. Ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. verschwand allmählich die Vielfalt kleiner Steinwerkzeuge und machte bald der Nutzung anderer Werkstoffe Platz, vor allem Keramik. Die Menschen verließen ihre Höhlen und siedelten auf dem offenen Land, das sie zu bebauen begannen: Das Dorf wurde zur vorherrschenden Siedlungsform und zum Brennpunkt der Vergesellschaftung. Die „neolithische Revolution“ |14| – eigentlich keine Revolution, sondern ein Prozess extrem langer Dauer mit zahllosen Übergangsstadien – nahm im Vorderen Orient nach 10   000 v. Chr. ihren Anfang und griff bald auf Europa und Afrika über; Sizilien aber, auf dessen wenig zahlreicher Bevölkerung ein geringerer demographischer Druck lastete, erfasste die Welle erst mit gehöriger Verspätung, kurz nach 6000 v. Chr.
    Erste Spuren des Wandels finden sich wiederum zuerst in der Höhle von Uzzo, deren Bewohner im frühen 5. Jahrtausend v. Chr. Weizen und Gerste anzubauen begannen. Allmählich nahm der Anteil von Wild auf dem Speisezettel ab, Haustiere, Fisch, Meeresfrüchte und Feldfrüchte gewannen an Bedeutung. Bereits zu Beginn des 6. Jahrtausends waren die Bewohner der Höhle zur Herstellung von Keramik übergegangen. Die Keramik fügt sich nahtlos in das aus dem gesamten Mittelmeerraum bekannte Spektrum: Die Uzzo-Sizilianer lebten also keineswegs in vollständiger Isolation vom Rest der Welt, sondern waren – wiewohl als marginale Gruppe – in einen weiteren Horizont integriert. In ihnen dürften wir die Nachfahren der mesolithischen Höhlenbewohner vor uns haben, die deren Tradition weitgehend bruchlos fortsetzten.
    Kurz nachdem die Uzzo-Menschen erste primitive Tongefäße zu brennen begannen, im ausgehenden 6. Jahrtausend, breiteten sich im Süden der Insel dörfliche Siedlungen aus, in denen ein neuer Typus Keramik, die nach ihrem ersten Fundort bei Syrakus so genannte Stentinello-Ware, hergestellt wurde. Sie wies bereits eine große Formen- und Dekorationsvielfalt auf, mit in geometrische Muster eingelassenen „Augen“ – möglicher Hinweis darauf, dass sich der Glaube an den „Bösen Blick“ auf der Insel etabliert hatte. Die Bewohner der Stentinello-Dörfer bauten Getreide an und hielten Ziegen, Rinder, Schweine und Hunde. Dieselbe Keramik war gleichzeitig auch in Kalabrien verbreitet. Über die soziale Organisation der Dörfer und das Beziehungsgeflecht zwischen ihnen ist aber kaum etwas bekannt; ebenso unklar ist, ob das Auftreten der Stentinello-Kultur mit der Einwanderung neuer Gruppen vom italienischen Festland
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