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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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sich ohnehin auch mit milliardenschweren, aus der Cassa del Mezzogiorno finanzierten Investitionen nicht gewinnen.
    Die wechselnden Herren, die übers Meer nach Sizilien kamen, hinterließen |9| alle ihre Spuren im langen kollektiven Gedächtnis seiner Bewohner. Hier überkreuzt sich die Geschichte des insularen Elends, die Braudel erzählt, mit jener der multikulturellen Interaktion von Constantakopoulou. Gerade weil eine große Insel wie Sizilien mitten im Mittelmeer und damit im Schnittpunkt von Handelsrouten und interkulturellen Kontakten lag, gerade weil sie wohlhabend war und strategisch günstig lag, kamen Scharen von Eroberern, immer und immer wieder: solche, die sich – wie die Griechen – häuslich auf der Insel einrichteten, und solche, die – wie Römer und Spanier – in ihr kaum mehr als ein Stück Land sahen, dem sich Tribute und Steuern abpressen ließen.
     Karte

|11| II  Die Zeit des Werdens: Das prähistorische Sizilien
    Vor ungefähr 30   000 Jahren strebte die letzte große Eiszeit nach Ende des Interstadials 5 ihrem frostigen Höhepunkt entgegen. Halb Europa lag unter einem dicken Eispanzer begraben. In diese Periode fällt das erste Auftreten des modernen Menschen in Sizilien. Die Siedlungsgeschichte der Insel reicht aber noch viel weiter zurück: bis weit ins Paläolithikum, als die Vorfahren von Homo sapiens und Neandertaler erste primitive Steinwerkzeuge schufen und damit begannen, sich die Natur nach ihren Bedürfnissen zu formen. Von Anfang an vollzog Sizilien darin Entwicklungen im benachbarten Europa und Afrika nach; die Insellage brachte es jedoch mit sich, dass sich vieles jenseits der Straße von Messina erst mit gehöriger Verzögerung durchsetzte.
    Steinzeit
    Während Überreste dieser ersten Sizilianer bislang ihrer Entdeckung harren, haben sich ihre Spuren doch in Form der sogenannten Chopping Tools erhalten, Steinen unterschiedlicher Größe, von denen an zwei Seiten Späne abgehauen wurden, so dass eine zweischneidige Klinge entstand. Chopping Tools dienten ihren Benutzern – den Vorfahren des modernen Menschen und ihren Verwandten – vor gut zwei Millionen Jahren zum Schneiden, Schaben und Sägen. Mit ihnen konnten Tiere geschlachtet, Nahrungsmittel gesäubert und Werkzeuge hergestellt werden. In verschiedenen Teilen Siziliens tauchen Chopping Tools aus Quarzit, Kalk- oder Feuerstein auf.
    Spätere Generationen von Inselbewohnern benutzten mandelförmige Faustkeile, wie sie zuerst in den 1960er Jahren bei Grabungsarbeiten in Heraklea Minoa ans Licht kamen und seither überall auf der Insel gefunden werden. Sie sind Zeugen dafür, dass Sizilien nahezu von Anfang an am Prozess der Menschwerdung |12| teilhatte. Vermutlich kamen die paläolithischen Sizilianer über eine Landbrücke zwischen der Insel und dem italienischen Festland, die sich während der verschiedenen eiszeitlichen Kälteperioden formiert haben könnte.
    Während die frühe Altsteinzeit damit vergleichsweise gut dokumentiert ist, fehlen bislang stichhaltige Belege dafür, dass Sizilien an das mittelpaläolithische, mit den Neandertalern in Verbindung gebrachte Moustérien-Netzwerk angeschlossen war. Hingegen ist das Auftreten des modernen Menschen vor ca. 30   000 Jahren durch Flintwerkzeugfunde in Fontana Nuova (Marina di Ragusa) im Süden der Insel sicher belegt. Wesentlich dichter werden die Spuren dann für die ausgehende Eiszeit, um 10   000 v. Chr. Die Menschen dieser Zeit schufen, besonders an der Nordküste Siziliens, filigrane Steinwerkzeuge von erstaunlicher Vielfalt und Präzision. Viele dieser Mikrolithen dienten – wie gleichzeitig in anderen Teilen Europas entstandene Steinartefakte – als Jagdwerkzeuge. Bevorzugte Jagdbeute der Sizilianer aus dem Jungpaläolithikum dürften Wildschweine, Rotwild, Füchse, wilde Rinder und Ziegen gewesen sein. Die eiszeitliche Fauna – Zwergelefanten, Flusspferde und Hyänen – war im postpleistozänen Sizilien bereits ausgestorben.
    Aus der Zeit der jungpaläolithischen Jäger erreichen uns auch die ersten Zeugnisse für die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt und sich selbst. Die aus dem 9. Jahrtausend v. Chr. stammenden Felszeichnungen in der Grotta del Genovese auf der Insel Levanzo – einer der Ägadischen Inseln vor der Westküste Siziliens – weisen unübersehbar Parallelen zur etwas älteren Höhlenmalerei des Festlands auf, vor allem in Frankreich und Spanien. Dargestellt sind, mit schwungvollem Strich und in frappierender
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