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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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zusammenfiel. Immerhin weisen viele der neuen Siedlungen Umfassungsgräben und Palisaden auf – Anzeichen dafür, dass ihre Bewohner sich gegen Feinde von außen zur Wehr zu setzen hatten. Ob Störenfriede nun von der Insel selbst oder vom Festland kamen: Unübersehbar ist, dass Sizilien im 6. Jahrtausend allmählich Anschluss an entwickeltere Teile des Mittelmeerraums fand.
    Eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielte womöglich Obsidian, ein vulkanisches Gesteinsglas, das sich in der Steinzeit für die Herstellung scharfer Klingen großer Beliebtheit erfreute und über große Distanzen gehandelt wurde. Reiche Vorkommen befinden sich auf verschiedenen Mittelmeerinseln, darunter auf den Vulkaneilanden Pantelleria und Lipari. Auf Lipari fanden sich beträchtliche |15| Mengen von Obsidianwerkzeugen, die hier offenbar für den Export hergestellt wurden. Auf der Insel setzten sich auch zuerst Keramikstile durch, die von Waren des italienischen Festlands inspiriert waren und den Stentinello-Stil teils ergänzten, teils ablösten. Das Obsidian-Zentrum Lipari wurde alsbald zu einer frühen Handelsdrehscheibe: Zahlreiche Funde belegen den Import unterschiedlicher Rohstoffe, darunter Flint für Steinwerkzeuge und Tonerde für Keramik.
    Wie die anderen Teilregionen des Mittelmeerraums auch, wuchsen die Dorfgemeinschaften auf Sizilien allmählich in überregionale Netzwerke hinein, die durch reziproken, ritualisierten Gabentausch zusammengehalten wurden. Wie in praktisch allen vormodernen Gesellschaften dürfte das Übermitteln von Geschenken vor allem als Unterpfand wechselseitiger Solidarität gedient haben. Soziale Differenzierung und Hierarchisiserung, das damit einhergehende Repräsentationsbedürfnis von Einzelpersonen und Familienclans, Opferkulte und die Sitte, den Toten Gegenstände mit auf ihre Reise ins Jenseits zu geben, beflügelten die Nachfrage nach möglichst exotischen Gegenständen und damit das Bedürfnis, mit anderen in Kontakt zu treten. Siziliens insularer Dornröschenschlaf neigte sich damit seinem Ende zu.
    Wie eng Siziliens Kontakte mit der Außenwelt im späten Neolithikum waren, unterstreichen die zahlreichen Parallelen zur Nachbarinsel Malta: Auch auf Malta, dessen Bewohner ab dem späten 5. Jahrtausend monumentale Steintempel und unterirdische Grabanlagen (Hypogäen) errichteten, hatte die Stentinello-Ware sich durchgesetzt, und bis in die frühe Bronzezeit ging die Keramikentwicklung Hand in Hand. Die Menschen auf Malta und Gozo bezogen aus Sizilien Rohstoffe wie Ocker und Alabaster, die auf ihren Inseln nicht verfügbar waren. Umgekehrt wurde Malta zu einem Zentrum der Textilherstellung; Tuchwaren wurden in großem Umfang nach Sizilien verschifft. Als Ergebnis dieser großräumigen Austauschnetzwerke, in denen Innovationen nun beschleunigt zirkulierten, entstand eine, sich in der Abfolge von Keramikstilen manifestierende, kulturelle Koine, die über mehrere Tausend Jahre reichte und erst in der Frühbronzezeit zerbrach.
    Bronzezeit
    Bereits im 8. Jahrtausend v. Chr. hatten Menschen in Anatolien mit der Bearbeitung reinen Kupfers begonnen. Aber erst um 3000 v. Chr. hatte sich, ausgehend von Vorderasien, das metallurgische Know-how so weit verbessert, dass Metalllegierungen hergestellt werden konnten. Bronze wurde alsbald der Werkstoff für |16| Gerätschaften und Waffen aller Art; zu Barren gegossen, diente sie als konvertibles und relativ leicht transportables Zahlungsmittel. Die Bronzetechnologie brachte einen gewaltigen Innovationsschub. Vor allem setzte sie eine soziale Organisation von erheblicher Komplexität voraus; schließlich mussten Rohstoffe oft aus großer Entfernung herangeschafft werden. Der Anbruch der Bronzezeit und das Entstehen arbeitsteiliger, urbaner Gesellschaften mit beginnender Schriftlichkeit ging deshalb fast überall Hand in Hand.
    Gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. verdichtete sich in den Flussoasen Mesopotamiens und Ägyptens Macht zu ersten Territorialreichen, die mehrere Städte unter ihrer Herrschaft vereinten. Allmählich entstanden so große überregionale Machtzentren, die auch entfernte, schließlich sogar überseeische Gebiete kontrollieren konnten, bis der Vordere Orient gegen Ende der Bronzezeit (vor 1200 v. Chr.) zur Machtsphäre dreier großer Reiche wurde: des ägyptischen Neuen Reiches am Nil, des Hethiterreiches in Kleinasien und des Mittelassyrischen Reiches in Obermesopotamien. Europa, zumal der Westen, war vom Aufstieg der orientalischen
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