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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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sie dürften auch für die überwiegende Mehrheit der Zeitgenossen einigermaßen finster gewesen sein.
    Doch wie jede Krise bot auch der allgemeine Niedergang der frühen Eisenzeit Chancen. Als sich nach und nach die Hethiter, Ägypten und Assyrien von der Bühne der Weltpolitik verabschiedet hatten, schlug die Stunde der Kleinen. |22| In der späten Bronzezeit hatten die großen Zentren den Güteraustausch dirigiert: Zu welchen Konditionen Prestigegüter, Rohstoffe, Nahrungsmittel oder Sklaven den Besitzer wechselten, legten Bürokraten in den Großhaushaltungen der Paläste fest. So waren die Pharaonen seit Jahrhunderten daran gewöhnt, Zedernholz aus Byblos an der Küste des Libanon zu beziehen. Womit bezahlt wurde, lag im Ermessen der ägyptischen Seite; nicht selten speiste man die libanesischen Tauschpartner mit ideellen Werten – Protektion und der Gunst „der Sonne“, des Pharao – ab.
    Ein ägyptischer Text aus dem 11. Jh. v. Chr. berichtet, wie ein Handlungsreisender aus dem Nilland um 1075 nach Byblos aufbricht, um Zedernholz zu beschaffen. Der dortige Herrscher konfrontiert ihn schonungslos mit den neuen Realitäten: Statt die begehrten Stämme einfach frei Haus nach Ägypten zu expedieren, fordert er Vorkasse in Form von Gold, Silber und Fertigwaren. Der sogenannte „Bericht des Wenamun“, wirklich wohl ein fiktiver Text, der aber die tatsächlichen Verhältnisse akkurat wiedergeben dürfte, demonstriert, wie sich die Machtverhältnisse im früheisenzeitlichen Mittelmeerraum gewandelt hatten.
    Der Zusammenbruch des bronzezeitlichen Systems hatte den Weg geebnet für neue politische Faktoren: Städte und kleine Territorialreiche auf ethnischer Basis, wie das Königreich Israel in Palästina. Unterhalb dieser gewissermaßen „staatlichen“ Ebene traten aber erstmals auch Akteure in Erscheinung, die unabhängig von den königlichen Großhaushaltungen operierten, „Privatunternehmer“ gleichsam, die sich auf eigene Rechnung in Seehandel und Seeraub einschalteten. Einen Einblick in diese neue Welt der Möglichkeiten, in der abenteuerlustige Männer auf kleinen Schiffen ständig weiter gesteckte Ziele anpeilten, gewähren uns die Epen Homers, insbesondere die ›Odyssee‹. Hier begegnen wir maritimen Unternehmern, die mit bunt zusammengewürfelten Crews entfernte Gestade des Mittelmeers ansteuerten, dort Waren verkauften, kauften, auch vor Menschenraub und Piraterie nicht zurückschreckten – und das alles in einer Wirtschaft, die noch kein Geld kannte.
    Allmählich schälte sich auch in der Ägäis und noch weiter westlich im Mittelmeer, in Italien und auf den großen Inseln, wieder eine Elite heraus: Männer, die mehr besaßen als andere, das Wort in der Gemeinschaft und im Krieg das Schwert führten. Bei Homer heißen die Vertreter dieser Aristokratie in statu nascendi
basileis
: Sie sind die Vorstände der namhaften Häuser, Großgrundbesitzer und im besten Fall Warlords, deren Autorität auf Sieg und Beutemachen im Krieg beruht. Durch Güteraustausch mit entfernten Regionen versorgten sie sich mit Prestigegütern, die ihrer Prominenz in der eigenen Gesellschaft Nachdruck verliehen.
    |23| Der Sache nach gab es ähnliche Eliten aber bald allenthalben im Mittelmeerraum. Den nach wie vor anhaltenden ökonomischen Disparitäten zum Trotz pflegten sie überall einen ähnlichen Lebensstil: Gastmähler – griechisch
symposia
–, auf denen Gleichrangige bewirtet wurden, man gemeinsam trank und den Vorträgen wandernder Dichter lauschte, die das Heldenleben besangen, gehörten ebenso dazu wie die männliche Bewährung in Jagd und Krieg. Gastfreundschaft – Proxenie – hielt ein dichter werdendes Netz solch großer Männer zusammen; und da kleine Geschenke bekanntlich die Freundschaft erhalten, brachte man sich gegenseitig bei Besuchen erlesene Gastgeschenke –
xeneia
– mit.
    Homer lässt uns in seiner ›Ilias‹ daran teilhaben, wie Achilleus bei dem anlässlich der Bestattung seines Freundes Patroklos veranstalteten Wettkampf für den Sieger einen silbernen Kratér – ein Mischgefäß für Wein, wie es bei Symposien zur Benutzung kam – als Preis aussetzt: „[…] ein Silber-Mischgefäß, kunstvolle Arbeit, konnte sechs Maß fassen, / an Schönheit aber trug’s den Sieg davon auf der gesamten Erde / bei weitem, denn Sidoner voller Kunstsinn hatten’s schön gefertigt. / Phoiniker aber hatten’s mitgebracht über das dunkle Meer hin / und hatten Halt gemacht im Hafen / und dem Thoas es als
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