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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Autoren: Kathrin Brueckmann
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Flüssigkeit auf, und auch er selbst war über und über besudelt. Er versuchte, das Blut von sich abzuwischen, während rings um ihn der aufgewühlte Strom gischtete, hier ein Bein und dort aufgerissene Münder aufblitzen ließ. Namenlose Gesichter glänzten rot im Schein der Sonne, und doch erkannte Sinuhe sie: Es waren die Gaufürsten, Hofbeamten und Generäle, die sich um die willkommene Beute balgten. Sesostris war längst verschwunden, doch noch immer schäumte der Fluss. Endlich wurde es ruhig um Sinuhe in seinem Boot. Träge ließ er seine Hand im nun wieder klaren Wasser baumeln. Etwas verfing sich zwischen seinen Fingern. Er griff zu. Auf seiner Handfläche lag der Kopf von Sesostris. Wasser perlte von den Federn seines Halsstumpfes. Sinuhe versuchte, das Ding abzuschütteln. Da begann der Kopf zu würgen. Ein zusammengeballtes Stück Papyrus quoll aus dem Mund des Freundes.
    Mühsam entzifferte Sinuhe die Zeichen: »Warum hast du mich geopfert?«
    Der bleiche Mund verzog sich zu einem Grinsen. Jemand schrie und schrie und schrie.
     
    »Sinuhe, wach auf, mein Sohn, wach auf! Es ist nur ein Traum.«
    Mühsam stemmte Sinuhe sich aus den Tiefen des Schlafes empor in die Wirklichkeit. Sein Geist klammerte sich an der vertrauten Stimme seines Vaters fest, bis es ihm endlich gelang, die Augen zu öffnen. Kupfern lag der Geschmack von Blut auf seiner Zunge. Unsicher griff er nach dem Wasserkrug, doch sein Vater kam ihm zuvor und schenkte den Becher voll. In tiefen Zügen schluckte Sinuhe Angst und Entsetzen des Traums hinunter, aber ein ungutes Gefühl blieb wie ein Kloß in seiner Kehle und drückte ihm auf den Magen. Gleich würde er sich übergeben müssen.
    »Wie spät ist es?«, stieß er hervor. Schlagartig ersetzte die Erinnerung an das Geschehen des Vortags die Bilder des Albtraums. »Was ist passiert? Sind wir in Gefahr?«
    »Leg dich wieder hin, es ist alles in Ordnung, und noch graut der Morgen nicht. Beim Frühstück werde ich euch alles berichten. Du kannst ruhig wieder einschlafen.«
     
    Gemurmelte Stimmen drangen durch die Schleier von Sinuhes Schlaf, den die Strahlen der Sonne endgültig beiseiteschoben. Ein Gefühl von etwas Dringendem ließ ihn sich schnell aufsetzen und mit unbeholfenen Fingern ankleiden. Es war bereits helllichter Tag! Rasch schlüpfte er in seinen Schurz und in die Binsensandalen. Nun war alles wieder da, und es drängte ihn, die Neuigkeiten zu erfahren. Er eilte zum Esszimmer.
    »Nein, lass ihn ruhig ausschlafen. Als ich nach Hause gekommen bin, hatte er einen Albtraum.«
    »Der arme Junge. Das alles hat ihn sehr mitgenommen. Vielleicht sollten wir ihn nicht derart mit den Palastintrigen belasten, er ist doch immer noch ein Kind.«
    Das war die Stimme der Mutter, die Sinuhe vernahm.
    »Ich weiß, Meret, doch bald schon wird er seine Ausbildung beginnen. Besser, er weiß, was auf ihn zukommt, als dass er zu vertrauensselig ist. Der Palast ist eine Schlangengrube, und nur die Stärksten und Klügsten können hier bestehen. Sein Wissen um die Verhältnisse wird ihm nützen …«
    Sinuhe betrat den Raum. »Ja Vater, ich will lieber alles wissen, als zu ahnen, dass da Dinge sind, die ihr mir verheimlicht. Ich würde es doch spüren, wenn euch etwas bedrückt.« Er blickte seine Eltern erwartungsvoll an.
    »Oh Sinuhe, da bist du ja. Komm, setz dich zu uns. Vater hat uns große Neuigkeiten zu berichten.«
    Geschäftig eilte seine Mutter zum Tisch und schob ihm die Morgenspeise aus Brot, Honigkuchen und Früchten hin. Sinuhe konnte ihre Anspannung spüren und ahnte, dass Cheti mit seinem ausführlichen Bericht auf sein Erscheinen gewartet hatte. Das machte ihn stolz, denn es gab ihm das Gefühl, dass der Vater ihn als Gesprächspartner genauso schätzte wie die Mutter.
    Cheti wartete, bis seine Familie Platz genommen hatte.
    Dann räusperte er sich: »Letzte Nacht haben die höchsten Palastbeamten, die Gaufürsten Ober- und Unterägyptens und die Obersten Heerführer der Beiden Länder überlegt, wie es nun, nach dem Ende der Dynastie, mit Kemet weitergehen wird. Es war eine lange Beratung um die Frage, wer Mentuhotep nachfolgen soll.«
    Das sonst so sanfte Gesicht des Vaters wirkte angespannt, tiefe Schatten der durchwachten Nacht lagen um seine Augen und ließen ihn älter aussehen. Sinuhe fragte sich, wer infrage käme, doch der Vater beantwortete seine Gedanken bereits.
    »Zwischen den mächtigsten Gaufürsten der beiden Länder ist es zum Streit gekommen, Ptahhotep aus
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