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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Autoren: Kathrin Brueckmann
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die Fackeln zu beiden Seiten des Hauseingangs waren entzündet worden, aber Sinuhes Füße kannten den Weg. Außer Atem und mit pochendem Herzen trat er über die Schwelle.
    »Vater? Mutter?«
    Alles blieb still.
    Er eilte ins Speisezimmer. Dort fand er seine Mutter Meret am gedeckten Tisch, auf dem die Speisen unberührt standen. Sie, die sonst immer geschäftig durch die Räume eilte, brütete dumpf vor sich hin. Der Platz seines Vaters war leer.
    Der Beutel entglitt Sinuhes Händen. »Mutter, was ist passiert? Wo ist Vater?«
    Merets Blick richtete sich auf ihn, und Sinuhe sah, wie sich ihr Körper straffte. Dann entdeckte er auch die Tränenspuren in ihrem Gesicht.
    »Oh, da bist du ja. Setz dich. Ich muss dir Schlimmes berichten.«
    Die Zeit dehnte sich ins Unendliche. So viele Gedanken wirbelten in Sinuhes Kopf herum: Der Vater ist tot. Aber wie? Warum? Oder ist es Pharao?
    Er ließ sich auf seinen Stuhl sinken und unterdrückte den Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten. Stattdessen umklammerte er die Sitzfläche, bis die Fingerknöchel weiß wurden.
    »Der mächtige Stier, unser König Mentuhotep, hat sich zu den Göttern versammelt«, begann die Mutter zu berichten.
    Sinuhe stieß den Atem aus, die Anspannung ließ etwas nach.
    »Dein Vater wurde von Amenemhet zum Rat gerufen. Es müssen schnell Entscheidungen getroffen werden. Sonst …«
    Sinuhe sah Furcht in den Augen seiner Mutter, die seine Ängste widerspiegelten. »Aber … Was ist geschehen? Mentuhotep war bei guter Gesundheit.«
    »Ach, mein Sohn. Mentuhotep hat doch heute die Gaufürsten Ober- und Unterägyptens empfangen, um die Neuregelung der Verwaltung bekannt zu geben. Amenemhet hatte gerade begonnen, die neuen Maßnahmen zu verkünden, als der Pharao sich krümmte und mit dem Gesicht auf den Boden fiel. Es muss schrecklich gewesen sein; ein furchtbares Durcheinander ist ausgebrochen. Amenemhet hat den Leibarzt seiner Majestät gerufen, doch der konnte Pharao nicht mehr helfen. Bei Sonnenuntergang hat der gute Gott die Sonnenbarke bestiegen, um gemeinsam mit Re die Unterwelt zu durchreisen.« Meret war das Entsetzen anzumerken, als sie hinzufügte: »Dein Vater vermutet einen Anschlag.«
    Sinuhe hatte Mühe, seine Ängste in Worte zu fassen. »Gift? Meint Vater, es könnte Gift gewesen sein? Einer der Gaufürsten?«
    Cheti hatte seiner Familie berichtet, was Mentuhotep an Änderungen und Einschnitten plante. Er hatte befürchtet, dass die Neuordnung der Verwaltung den Unmut der Mächtigen hervorrufen würde. Die Macht der Gaufürsten wäre erheblich beschnitten worden. Cheti aber hatte die Maßnahmen aus ganzem Herzen begrüßt. Sie würden zur Stabilisierung der Herrschaft Pharaos führen. Und er war sehr stolz gewesen, dass er nicht nur als Schreiber, sondern auch als Ratgeber zur Abfassung der Gesetze beigetragen hatte.
    »Gift. Ja. Vielleicht«, riss die Stimme seiner Mutter ihn aus seinen Gedanken. »Aber das wissen nur die Götter genau, und sie werden über die Schuldigen richten, falls es so ist.« Sie wischte sich eine Strähne ihrer Perücke aus dem Gesicht. »Nun aber gilt es, die Maat aufrechtzuerhalten. Es muss schnell ein Nachfolger gefunden werden. Dein Vater wurde vom Wesir zusammen mit den anderen hohen Beamten Mentuhoteps zur Beratung gerufen. Einige der Gaufürsten verfügen über viel Gold – und das öffnet leider so manch verräterischem Vorschlag das Ohr. Sie werden zu verhindern suchen, dass ein Vertrauter Mentuhoteps sein Werk fortsetzen kann.«
    Meret nahm ihn in die Arme, und Sinuhe spürte, dass sie damit nicht nur ihn trösten wollte. Sollte es dazu kommen, wäre nicht nur die Position seines Vaters in Gefahr, sondern das Leben der ganzen Familie. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie entließ ihn aus ihrer Umarmung.
    Als sie sich wieder hinsetzte, umspielte ein halbherziges Lächeln ihren Mund. »Iss etwas, und dann lass uns zu Bett gehen. Dein Vater wird spät heimkehren, und morgen ist es für Neuigkeiten immer noch früh genug.«
    Sinuhe kaute auf einem Bissen Fleisch herum, der in seinem Mund immer größer zu werden schien. Wer konnte so einen Frevel an der Maat begangen haben? Wie hinterlistig und heimtückisch dieser Anschlag war! So jemandem war alles zuzutrauen. Er würgte den Brocken herunter und stand auf. Ihm war der Hunger vergangen.
     
    Sinuhe sah Sesostris stürzen. Der Kopf des Freundes versank in einem Strom von Blut. Die Schwänze von Dutzenden Krokodilen peitschten die klebrige
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