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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Autoren: Kathrin Brueckmann
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von Men-Nefer lag zu dieser mittäglichen Stunde im gleißenden Sonnenlicht wie verlassen da. Nebu seufzte ergeben. Sein freches Mundwerk hatte ihm wieder einmal die ungeliebte Aufgabe eingebracht, die Amulette der Göttin an die Gläubigen zu verkaufen, die den Tempel besuchten. Er stand noch ganz unten in der Priesterhierarchie, hatte es gerade erst zum Wab-Priester gebracht, und es stand ihm nicht zu, den Propheten gegenüber vorlaut zu sein.
    Nebu war anzusehen, dass er es nie zu höheren Weihen bringen würde, denn aus seinen braunen Augen blitzte der Schalk, und die breiten Lippen schienen ständig zu einem spöttischen Grinsen verzogen zu sein. Es fehlte ihm die nötige Ernsthaftigkeit, wie seine Vorgesetzten zu sagen pflegten. Nebu selbst bedachte die strengen Mienen der Propheten dagegen mit anderen Worten als ernsthaft.
    »Diese verbiesterten alten Fledermäuse«, schimpfte er.
    Aber seine Eltern hatten ihn nun einmal diesen Beruf erlernen lassen, und im Grunde konnte er sich glücklich schätzen. Solange er im Tempel Dienst tat, würde für sein leibliches Wohl stets gesorgt sein, was für einen Jungen wie ihn, der aus einfachen Verhältnissen stammte, nicht gerade selbstverständlich war.
    Nachdem er sich diese Gedanken wieder einmal vor Augen geführt hatte, fügte er sich ohne weiteres Murren in sein Schicksal und ließ sich im Schatten der ehrwürdigen Sykomore nieder, die in der Mitte des Vorhofes wuchs.
    Der Baum war so alt, dass sein Stamm nur von vier Männern umfasst werden konnte, und die üppig belaubten Äste überspannten einen großen Teil des Tempelhofes. Die Sykomore – auch Eselsfeige genannt – war der heilige Baum der Göttin Hathor. Besonders Liebende und kinderlose Paare suchten diesen Tempel auf, um zu der kuhköpfigen Göttin zu beten. Sie erhofften sich vom Verzehr der süßen Früchte, dass ihre Gebete erhört würden. Deshalb gehörte dieser Hof auch zu den wenigen öffentlich zugänglichen Teilen des Tempels.
    Vor Nebu lagen Amulette aus Fayence auf einer Decke ausgebreitet. Eine Schüssel mit frischen Früchten des Baumes stand daneben.
    Der Jungpriester gähnte und schloss die Augen. Es war einfach zu heiß heute. Selbst das Gesumm der Fliegen schien ihm träge und schläferte ihn ein. Das Geräusch von Schritten ließ ihn bald wieder hochfahren. Die Propheten durften ihn nicht auch noch bei einem Nickerchen erwischen! Er beschattete seine Augen mit einer Hand und ließ seinen Blick über den Hof gleiten, bis er die Ankömmlinge entdeckt hatte. Es war ein Ehepaar, das durch den Pylon getreten war und sich suchend umsah.
    Nebu seufzte erleichtert und beobachtete die beiden. Um sich bei diesem langweiligen Strafdienst die Zeit zu vertreiben, hatte er sich schon vor Wochen ein kleines Spiel ausgedacht. Er versuchte zu erraten, wofür die einzelnen Besucher beten würden. Als das Paar näherkam, glitt kurz ein Lächeln über Nebus Gesicht. Den hungrigen und doch leeren Ausdruck in den Augen der Frau kannte er nur zu gut. Diese beiden würden Kindersegen erflehen.
    Ohne ihn weiter zu beachten, ging das Paar über den Hof, bis der dunkle Eingang zu den Räumen des Opfervorstehers sie verschluckt hatte. Denn war den Gläubigen der Zutritt zum Heiligtum auch an den meisten Tagen des Jahres verwehrt – die Opfer für die Göttin nahmen die Priester gern entgegen.
    Als Nebu die beiden etwas später wieder herauskommen sah, war das Bündel des Mannes, das vorher prall auf seiner Schulter gelegen hatte, schlaff und leer.
    ›Die Priester wissen schon, wie sie den Gläubigen die Gaben aus dem Beutel ziehen können‹, dachte er. ›Sehr wohlhabend sehen die beiden nicht gerade aus. Ich werde mit ihnen wohl kaum mehr ein großes Geschäft machen können.‹
    Trotzdem stemmte er sich hoch und begann, seine Waren anzupreisen.
    Es war die Frau, die ihren Mann zu den glänzenden Amuletten zog.
    ›Es sind immer die Frauen‹, stellte Nebu im Stillen fest. Sie wurden nicht nur von der glänzend farbigen Oberfläche der Stücke angezogen, sie glaubten auch eher an die magische Wirkung der heiligen Gegenstände.
    »Diese Amulette sind wahrhaft zaubermächtig«, begann Nebu.
    Nun, da die beiden vor ihm standen, sah Nebu, dass sie nicht mehr ganz jung waren. Die Frau war zwar noch im gebärfähigen Alter, aber bald würde es für sie zu spät sein. Sicher wäre sie für ein paar seiner wohlklingenden Versprechungen dankbar. Sein begehrlicher Blick fiel auf den Reif aus Kupfer, den der Mann am
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