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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Autoren: Kathrin Brueckmann
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~ Es ist ein Mädchen
    Regierungsjahr 1 von Amenemhet I
     
    Im Amuntempel zu Waset lag der Hohepriester Neferti im Sterben. Er war so alt, dass kein Mensch des Schwarzen Landes sich erinnern konnte, einen anderen in diesem Amt gekannt zu haben.
    Der Sterbende hatte darum gebeten, in das Allerheiligste getragen zu werden. Die Priester des Amun hielten Wache und lauschten den schwachen Atemzügen, die den geschrumpften Körper nur widerwillig zu verlassen schienen. Im flackernden Licht der Fackeln strahlte das Greisengesicht eine entspannte Ruhe aus, die runzlige Hand winkte seinen Nachfolger herbei. Der Tempelschreiber setzte sich rasch zu Füßen der Trage nieder, denn die letzten Worte eines Hohepriesters waren heilig.
    Wie alter Papyrus raschelten die Worte aus dem eingesunkenen Mund: »Der Thron der Beiden Länder ist verwaist. Aber ein König des Südens wird kommen, Ameni mit Namen, Sohn einer Frau aus Nubien und ein Kind Oberägyptens ist er. Er wird die Weiße Krone nehmen und wird die Rote Krone tragen – so wird er die Beiden Mächtigen vereinen und wird die Beiden Herren zufriedenstellen. Freut Euch, ihr Menschen eurer Zeit, denn der Sohn guter Herkunft wird sich einen Namen machen bis in alle Ewigkeit!«
    Mit dem letzten Wort senkte sich Stille über den Raum. Neferti hatte seine Reise in den Westen angetreten.
     
    * * *
    Zur selben Zeit hallten die Räume des Frauenhauses von den Schreien der Gebärenden wider. Die junge Frau lag seit Stunden in den Wehen. Priesterinnen des Bes und der Taweret murmelten Gebete und Zaubersprüche zum Schutz von Kind und Mutter, deren geschwollener Leib mit Amuletten behängt war. Nervös ertastete die Geburtshelferin noch einmal die Lage des Kindes im Bauch der königlichen Konkubine. Viel hing von einer glücklichen Entbindung ab, das wusste sie. Überlebte das Kind nicht, müsste sie ihre Sachen packen und für immer den Palast verlassen. Noch einmal rieb sie ihre rechte Hand mit Gänsefett ein und versenkte sie im Geburtskanal.
    Dann verkündete sie: »Es ist Zeit für den Gebärstuhl.«
    Das erhöht stehende Möbel war bereits hereingetragen worden. Zwei Frauen halfen der Schwangeren vom Lager auf und stützten sie auf ihrem Weg. Die Arme auf die bequemen Lehnen gestützt, hockte sich Anuket hin. Die Füße stellte sie auf die beiden Ziegel. Ein neuer Krampf durchlief sie.
    »Nun musst du pressen!«
    Wieder und wieder strengte sich die Gebärende an, bis endlich, nach einem lang gezogenen Schrei, der Kopf des Kindes herauskam, behutsam umfangen von den Händen der Hebamme. Eine weitere Kontraktion ließ den glitschigen Leib in ihre ausgestreckten Arme gleiten. Silbrig pulsierte die Nabelschnur.
    »Es ist eine Prinzessin! Und sie ist gesund und schön!«
    Wie betäubt lehnte sich Anuket zurück und dachte nach. Als Mutter des künftigen Pharaos wäre ihre Zukunft sorgenfrei gewesen. Doch andererseits hatte sie so vielleicht sogar noch bessere Aussichten. Ein berechnendes Lächeln glitt kurz über ihre Lippen, als sie sich ausmalte, wie viele hohe Herren um die Hand dieses kleinen Mädchens buhlen würden. Das konnte sie sich zunutze machen.
    Nun endlich sah sie ihr Kind an. »Gebt sie mir! Ach, ist sie nicht wunderschön? Meritamun soll sie heißen.«
     
    * * *
    Haremsvorsteher Meketre bekam die Botschaft bereits eine Stunde später. Er speiste mit seinem Freund Amunnacht, als der Bote kam.
    »Eine Prinzessin also …«, murmelte der Schatzmeister des Pharaos, »nun ist alles wieder offen. Amenemhets Regentschaft ist beendet. Wen wirst du unterstützen?« Fragend blickte Amunnacht seinen Freund an.
    »Warum bist du Ptahhoteps Mann? Der Gaufürst von Men-Nefer ist ein gieriges Schwein«, wollte Meketre wissen und hob seinen Becher an die Lippen.
    »Ich habe keine Wahl.« Amunnacht erhob sich leise und riss mit Schwung die Tür zum angrenzenden Küchentrakt auf.
    »Was …?«
    Der Schatzmeister schloss die Tür sorgfältig und hievte dann seinen massigen Körper zurück auf den Stuhl.
    »Ich wollte nur sichergehen, dass wir keine Zuhörer haben.« Verschwörerisch beugte Amunnacht sich vor. »Als Schatzmeister von Mentuhotep konnte ich mir einige … Freiheiten nehmen. Du weißt ja, wie lasch die Verwaltung unter dem guten Gott war.« Er räusperte sich verlegen und brachte es fertig, gleichzeitig seinem alten Freund verschmitzt zuzuzwinkern.
    »Du hast Gold für deine eigene Truhe abgezweigt«, mutmaßte Meketre. Ein verstehendes Lächeln kräuselte die
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