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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Autoren: Kathrin Brueckmann
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dass der Riegel nicht vorgeschoben war. »Wo ist die Kleine?«
    »Gleich hier, im ersten Gang, fünfte Tür rechts. Das war das nächste Zimmer zum Tor, das frei stand.«
    »Ist sie betäubt?«
    »Ich habe ihr einen besonderen Schlaftrunk bringen lassen, keine Sorge.«
    »Gut. Wenn sie Krach schlüge, würde es hier binnen weniger Augenblicke von kreischenden Konkubinen wimmeln.«
    Meketre griff sich eine der blakenden Öllampen und schirmte die Flamme beim Gehen ab. Schweigend schlichen die beiden Verschwörer den dunklen Flur entlang. Pepi zählte stumm die Türen und deutete schließlich auf die Fünfte.
    Meketre nickte.
    Lautlos drückte Pepi die Klinke herunter. Zu seiner Überraschung lag das Zimmer nicht im Dunkeln. Der Schein einer Lampe tauchte es in diffuses Licht. Er unterdrückte einen Aufschrei, wedelte seinen Vater mit der Hand zurück und zog die Tür rasch wieder zu. Dann schob er ihn einige Schritte vom Eingang weg.
    »Was ist los?«, hauchte Meketre fast tonlos.
    »Da sitzt eine Wache! Sie schläft.«
    Meketre fluchte stumm in sich hinein. Wie war das möglich? Woher konnte Pharao wissen, dass sie in dieser Nacht die Entführung geplant hatten? Er konnte unmöglich von Anukets Tod erfahren haben – oder? Die Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Der unliebsame Gehilfe, dieser Schreiberling: Sinuhe! Der Trottel hatte wohl doch Verdacht geschöpft. Meketre zählte eins und eins zusammen. Wäre Sinuhe zu Pharao gerannt, er hätte es durch seine Spitzel erfahren. Nur der Palastschreiber Cheti hatte Pharao aufgesucht. Sinuhe – Cheti – Pharao. Ja, das ergab Sinn. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein, diese Gefahr nicht zu sehen. Fieberhaft überlegte er, wie sie aus dieser Klemme wieder herauskommen konnten. Die Sache musste heute Nacht stattfinden. Schließlich lag draußen eine Leiche.
    Mit knappen Gesten bedeutete er seinem Sohn, was er sich ausgedacht hatte. Der verstand und nickte. Auf Zehenspitzen schlichen sie zurück. Pepi und Meketre betraten lautlos das Zimmer der Prinzessin. Die Wache im Stuhl schnarchte leise vor sich hin, das Mädchen lag schlafend auf dem Bett. Auf dem Tisch stand das halb volle Glas, das Meketre der Prinzessin hatte bringen lassen.
    Gut, sie hatte genug getrunken.
    Pepi zückte seinen Dolch. Ein Aufblitzen der Schneide, ein kurzes Gurgeln, und es war vorbei. In stoßweisem Schwall schoss das Blut aus der durchschnittenen Kehle des Wachmanns. Der junge Mann wischte die Klinge am Schurz seines Opfers ab.
    Die Augen des Haremsvorstehers weiteten sich vor Entsetzen. Pepi hätte die Wache doch nur niederschlagen müssen, damit der Mann nicht plötzlich aufwachte. Er hob beide Hände und die Schultern und deutete so ein ungläubiges ›Warum nur?‹ an.
    Doch sein Sohn zuckte nur mit den Achseln und zeigte drängend zum Bett hinüber.
    Meketre hob die Prinzessin mitsamt der Laken an. Vielleicht hatte Pepi recht. Nun schien ja doch noch alles glattzugehen. Statt der erwarteten schlaffen Last begann das Mädchen, plötzlich um sich zu schlagen. Ihre Augen öffneten sich erst klein und rundeten sich dann vor Entsetzen, als ihr Blick auf die blutverschmierte Gestalt von Pepi fiel. Schon öffnete sich ihr Mund zu einem schrillen Schrei.
    Pepi reagierte mit den Instinkten einer Schlange. Er drückte seine schwielige Hand fest auf den Mund der Kleinen. Das Strampeln wurde immer heftiger und verzweifelter, während Meketre alle Mühe hatte, das Bündel nicht fallen zu lassen.
    »Sie hat mich gebissen!« Pepis zweite Hand drückte die Kehle der Prinzessin zu. Wut verzerrte seine Züge. Er bleckte die Zähne. Wie konnte nur wieder alles so schrecklich schief gehen? Meritamun hätte bewusstlos sein sollen, doch stattdessen hatte scheinbar die Wache das Getränk zu sich genommen. Der Mann war betäubt gewesen, nicht aber das Mädchen. Wie von Sinnen drückte Pepi immer fester zu, merkte nicht einmal, dass längst kein Widerstand mehr kam.
    Erst die leisen Worte seines Vaters brachten ihn zum Loslassen: »Hör auf, hör doch auf, du bringst sie um!«
    Pepis verkrampfte Hände lösten sich widerwillig. Der kleine Kopf mit der baumelnden Jugendlocke rollte schlaff auf dem Arm seines Vaters hin und her, während dieser das Mädchen zum Bett zurücktrug. Grauer als das Zwielicht des Zimmers war das Gesicht des Beamten, als er sich über die reglose Gestalt beugte und dann den Kopf schüttelte.
    Pepis Schultern sackten herab. Auch das noch! Mit der Faust hieb er sich an die Stirn.
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