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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sobo Swobodnik
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blickte zur Decke. Vinzi wiederum zwinkerte, als müsste er alles noch einmal in besser verständliche Zeichen übersetzen. Die da lauteten: »Es ist so, wie es für dich am besten ist.« Das sagte jetzt auch Susi, mit dem Blick von der Decke wieder zurück.
    Dass immer andere am besten wissen, was für einen selbst gut sein soll, dachte Plotek, sagte aber nichts, weil Susis linke Augenbraue nach oben schnellte, was ein Zeichen dafür war, dass für sie das Wortgefecht hiermit beendet war und nun Taten folgen würden.
    Mit einem Ruck zog sie das Plumeau vom Bett weg. Was Plotek gar nicht recht war. Trug er doch nur ein lächerliches weißes Krankenhaushemdchen am Körper, das an ihm besonders lächerlich aussah. Vinzi quittierte es auch sofort mit einem Lächeln.
    Susi holte Ploteks Kleider aus dem Schrank, legte sie neben Plotek aufs Bett und sagte: »Mach schon!«
    Alle drei, Susi, Hohenthaler und Vinzi, drehten sich um und sahen zum Fenster hinaus, während Plotek sich anzog.
    »Und?«, fragte Susi.
    »Fertig«, sagte Plotek.
    Alle drehten sich wieder um. Dabei schien Vinzi das er ste Mal den Alten im Bett nebenan zu bemerken. Er zeig te mit dem Finger auf den Mann, der nun nicht mehr gurrte, und fragte: »Ist der tot?«
    Auch der Blick des Alten bewegte sich nicht mehr an der Decke entlang. Er sah aus, als schliefe er. Mit offenen Augen.
    »Hmm«, machte Plotek, während Dr. Hohenthaler »Ich kümmere mich darum« sagte.
    Er griff nach der Schwesternglocke, die über dem Bett hing, und drückte einmal kräftig drauf.
    Als hätte die Schwester vor der Tür gewartet, ging diese auf.
    »Was ist denn hier los?« Sie klang gar nicht erfreut, eine derartige Menschenansammlung im Krankenzimmer vorzufinden.
    Susi zeigte auf den regungslos im Bett liegenden Alten. Seine Augen guckten nach wie vor starr zur Decke.
    Die Schwester bekreuzigte sich und sagte: »Hat er es endlich hinter sich«, wie man sagt: »Ein Arsch weniger zum Wischen.«
    So kann man das auch sehen, dachte Plotek. Dabei ahnte er, dass ihm selbst noch einiges bevorstehen würde.
    »Immerhin ein natürlicher Toter«, sagte Vinzi und dachte offenbar an die vielen unnatürlichen, über die er und Plotek in der letzten Zeit gestolpert waren. Stichwort: Hurtigruten, Campingplatz.
    Und Plotek dachte, egal, ob natürlich oder nicht. Hin ist hin. Und: Das kann ja nur noch besser werden. Wurde es natürlich nicht. Aber egal.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, fragte die Krankenschwester, als sie endlich den fix und fertig angezogenen Plotek wahrnahm.
    »Sils Maria«, sagte Vinzi, was sich so anhörte wie: »Wollen Sie mit?«
    »Engadin!«, kam von Dr. Hohenthaler.
    »Graubünden«, von Susi.
    »Schweiz!«, sagte Vinzi.
    Die Krankenschwester schüttelte den Kopf, als wäre ihr unklar, was schlimmer war: der tote Alte hier im Bett oder Ploteks Aufbruch in die Schweiz.
    »Gehen wir?«, fragte Vinzi.
    »Gehen wir«, sagte Plotek.

2
    Seit zwei Stunden waren Plotek und Vinzi nun unterwegs. Sie fuhren mit dem alten Mercedes 300 SEL von Ploteks verstorbenem Vater mittlerweile in Österreich auf der Reschen-Bundesstraße Richtung Süden. Plotek fuhr langsamer, als es die Verkehrssituation, auch die Wetterverhältnisse erforderten. Plotek fuhr so langsam, dass Vinzi auf dem Beifahrersitz immer wieder beinahe einschlief. Das Einzige, was den am Einschlafen hindert, dachte Plotek, sind seine schweißtreibenden Gedanken, die tiefe Falten auf seine Stirn zeichnen und womöglich unaufhörlich und völlig kirre immer um dasselbe Thema kreisen wie Fliegen um einen frisch applizierten Kuhfladen. Das wusste Plotek. So gut kannte er Vinzi natürlich schon. Auch das Thema, das Vinzi durch den Kopf ging, lag für Plotek auf der Hand: Warum sagt der Plotek die ganze Zeit nichts? Warum macht der den Mund nicht auf? Ich sehe doch, dass es in ihm rumort, dass es in ihm arbeitet!
    Und ob es in mir arbeitet, dachte Plotek.
    Und dennoch: Beide schwiegen, seit sie von München losgefahren waren. Das Schweigen hörte sich allerdings so an, als hätten sie noch ein gewaltiges Hühnchen miteinander zu rupfen. Kein Wunder, fühlte Plotek sich doch von Susis resoluter Art, ihrer eigensinnigen Entschlossenheit und Vinzis korrupter Kooperationsbereitschaft hintergangen. Er kam sich wie ein minderjähriges Kind vor, das von seinen nichtsnutzigen Erziehungsberechtigten gegen den eigenen Willen in das Ferienlager des CVJM geschickt wird. Sagen konnte er es aber nicht. Um den Vorwurf an Vinzi zu richten,
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