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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sobo Swobodnik
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fehlte ihm die Courage. Widerspruch, Wortgefechte und Streitereien waren nicht Ploteks Stärken. Da war Plotek schon immer ein Hosenscheißer. In verbalen Auseinandersetzungen war er von jeher ein bemitleidenswerter Anfänger. In körperlichen im Übrigen auch. Wenn er sich aber hintergangen fühlte, auch noch von einem Freund, dann rumorte und köchelte es in ihm so lange, bis ihm dann doch irgendwann der Kragen platzte. Bis dahin war es nur noch eine Frage der Zeit. Eine Zeit, in der, wenn der Blick durch die Windschutzscheibe des Mercedes nicht täuschte, die unterschwellige Gereiztheit von lieblichen Schneeflocken überdeckt wurde.
    »Sauwetter«, war das Erste, was Vinzi nach über zwei Stunden sagte.
    Das hat jetzt aber lange gedauert, hätte man denken können. Dabei war das Wetter momentan so durchschaubar wie die Unschuldsbeteuerungen eines mehrfach überführten Dopingsünders mit der Nadel im Arm. Beim erneuten Blick durch die Windschutzscheibe wurden die lieblichen Schneeflocken zu einem gar nicht lieblichen Schneesturm. Soll heißen: Das Sauwetter bekam konkrete Züge. Bedeutet: Schnee, Eis, Wind. Es war nicht nur ein Sauwetter, es war eine Katastrophe. Eine meteorologische zumindest. Wenn man den Wettervorhersagen trauen durfte, war das erst der Anfang des lange schon erwarteten Wintereinbruchs. Wobei die Meteorologen sich in der R egel eher wie Schamanen gebärden. Der Blick in den Hi mmel ist wie der in eine Kaffeetasse. Trefferquote ungewiss. Soll heißen: Manchmal stimmt’s, manchmal nicht. Mal so, mal so und immer von afrikanischer Verlässlichkeit geprägt. Auf jeden Fall überzog seit Tagen ein Tief Deutschland, Österreich und die Schweiz. Schneefall bis zum Ab winken und Temperaturen im unterirdischen Bereich. Folge : Das Streusalz war am Ausgehen, das Verkehrschaos an der Tagesordnung, und die Sondersendungen witterten mal wieder die Sensation. Wenn schon kein arabischer Autokrat mehr wankt und kein Atomkraftwerk den Umweltaktivisten die Zunge rausstreckt, dann ist die Medienmeute froh, wenn wenigstens das Wetter verrücktspielt.
    »Und?«, fragte Plotek.
    »Was und?«
    »Was hat sie dir noch aufgetragen?«, sagte Plotek in Richtung Windschutzscheibe.
    Die Zeit war gekommen. Der Topf war am Überlaufen. Plotek platzte der Kragen. Sein Kopf schwoll an, wurde rot, während die Unterlippe leicht zitterte. Vinzi gab sich hingegen unwissend, abgeklärt wie ein erfahrener Matador, der den Stier mit Schaum vor dem Maul elegant durch sein rotes Tuch hindurchgleiten lässt.
    »Hä?«
    Was den Stier noch wütender werden ließ. »Tu doch nicht so.« Die Unterlippe zitterte jetzt noch mehr, die Hände krallten sich ins Lenkrad. »Du und Susi, ihr habt doch …«
    »Spinnst du?!« Jetzt wurde auch der Matador zum Stier. Alle rhetorischen Plänkeleien und freundschaftlichen Rüc ksichtnahmen waren dahin. »Sie hat mich gefragt, ob ich dir helfen könnte und …« Zwei Stiere trampelten auf einem roten Fetzen, Muleta genannt, herum.
    »Ach so, mir . Ich dachte ihr .«
    »Was soll das?«
    »Das wüsste ich auch gerne.«
    »Wenn du nicht fahren wolltest, dann hättest du das doch gleich sagen können«, meinte Vinzi. »Jetzt ist es reichlich spät. Wir sind gleich in der Schweiz.«
    »Es ist nie zu spät«, kam von Plotek, wobei er den Wagen immer weiter beschleunigte. Vinzi schmunzelte und schüttelte dabei den Kopf, als wollte er sagen: »Warum bist du denn nur so stur, warum so bockig?«
    Das hätte ihm Plotek schon sagen können. Das war womöglich auch ganz anders, als Vinzi es sich dachte. Es hatte nämlich mit seiner Herkunft zu tun. Also: Schwäbische Alb, Lauterbach, Plotek-Geschlecht. Soll heißen: Erbschaft, väterlicherseits. Plotek war exakt derselbe Sturschädel wie der verstorbene Vater. Wenn man es genau nimmt, konnte Plotek eigentlich gar nichts dafür. Das waren die Gene, Biologie und alles. Er sagte aber nichts, sondern starrte unverändert zur Windschutzscheibe hinaus, so bockig und stur, dass jedes Wort überflüssig war.
    »Ja, dann halt eben an!«, sagte Vinzi genervt. Unklar, ob das nun eine Aufforderung zur Umkehr war oder ob ihm nur die überhöhte Geschwindigkeit des Mercedes langsam unheimlich wurde. Tat Plotek dann auch. Davor krachte es aber noch.
    »Vorsicht!«, schrie Vinzi, laut und mit den Händen vor dem Gesicht. Zu spät.
    Es krachte erneut, als ob der Mercedes ebenfalls auf Konfrontation gegangen wäre. Mit wem oder was auch immer. Anschließend schlitterte der Wagen auf
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