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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sobo Swobodnik
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Susi zu Wort.
    »Gute Idee«, sagte sie. Seit wann ist sie mein Vormund?, fragte sich Plotek. Sie schien denselben Gedanken zu haben und hängte noch ein entschuldigendes, auch vermittelndes »Nicht wahr?« dran.
    Ohne eine Antwort von Plotek abzuwarten, griff Dr. Hohenthaler in seine Anoraktasche und zog sein neues Mobiltelefon heraus, das seiner Aussage zufolge »alles« konnte. (Außer vielleicht ficken.) Er streichelte den kleinen elektronischen Alleskönner zärtlich mit der Kuppe seines Zeigefingers, als wäre es die Wange seiner Geliebten, und sagte – oder hauchte vielmehr, wie man eben der Geliebten etwas Schönes ins Ohr haucht: »Dann ruf ich gleich mal den lieben Dr. Wehrli an, einverstanden?«
    Susi nickte anstelle von Plotek, während Dr. Hohenthaler den beiden den Rücken zudrehte und leise in sein Mobiltelefon hineinsäuselte, als hätte er mit diesem ein Liebesverhältnis. Soll heißen: verbaler Kuschelsex. Oder besser: Telefonsex. Noch besser: Objektophilie. Gibt’s! Ist Sex mit Objekten. Zum Beispiel dem Eiffelturm. Wie das geht? Keine Ahnung. Es klang bei Dr. Hohenthaler auf jeden Fall alles wie haarscharf im genitalreferenziellen Bereich und gleichzeitig so, als sollte Plotek nicht allzu viel davon verstehen. Verstand er aber trotzdem. Obgleich es da nicht viel zu verstehen gab.
    »Ja, ich bin’s. Alles klar. Gut. Ich dank dir. Bis bald. Kussi.«
    Das war alles. Dennoch zog das Gespräch jede Menge Gedanken nach sich. Erstens: Hat der Doktor jetzt tatsächlich »Kussi« gesagt, dachte Plotek, oder »Tschüssi«? Zweitens: Hatte er eigentlich eine Frau? Und schließlich drittens: Entweder hatte der Herr Dr. Wehrli nicht viel zu fragen, oder die Fragen wurden bereits vorher gestellt und geklärt. Soll heißen: Das Gespräch zwischen Dr. Hohenthaler und seinem alten Studienkollegen Dr. Wehrli klang so, als wäre alles schon vorher arrangiert gewesen.
    » TCM -Privatklinik«, sagte Dr. Hohenthaler freudestrahlend, was so klang wie » BDSM -Privatorgie«. Er drehte sich wieder zu Plotek um. »Danach sind Sie wie ein neuer Mensch.«
    Er streichelte sein Telefon ein letztes Mal und steckte es wieder zurück in den Anorak, wie Mann sein bestes Stück hinterm Hosentürl aufbewahrt.
    TCM ?, dachte Plotek. Was ist das denn? Ich kenne nur THC. TSV. TSG. TBB, BVG, GDL, LPG, GEZ, ZDF, FKK, KPD, DDR, RTL, LKA, ADAC …
    »Traditionelle chinesische Medizin«, sagte Susi, als wisse sie Bescheid.
    »Danach sind Sie wie ein neuer Mensch«, beschwor Dr. Hohenthaler erneut. Ist das ein Mantra oder so?, überlegte Plotek. Will er sich damit die eigenen Zweifel an der Genesung seines Patienten ausreden?
    Ich will kein neuer Mensch sein, dachte Plotek dann, ich will nur noch ein wenig der alte bleiben dürfen. Aber keine Chance. Susi mischte sich wieder ein und brachte es in ihrer unverwechselbaren Art und Weise auf den Punkt.
    »Generalüberholung!«, sagte sie und lachte. Das erste Mal, seit sie neben Ploteks Bett in diesem Krankenzimmer stand.
    Bin ich ein Auto oder was?, dachte Plotek, bei dem erst gar kein Lachen entstehen wollte. Er hustete dabei, als wäre der Auspuff nicht hinten, sondern vorne.
    »Weil wenn nicht«, sagte Susi, der nun das Lachen wieder verging, »ist es mit dir bald vorbei!«
    Sie warf erneut einen Blick hinüber zum Alten im anderen Bett, dessen Zunge wie ein lebloser Fleischfetzen aus dem Mund hing und aussah wie eine Krawatte am Hemdkragen. Die Worte von Susi klangen nun schon dramatischer – so als wäre sie ein Orakel und Plotek die Projektion ihrer Prophezeiung. So sah Susi auch aus. Ihr Gesicht verdüsterte sich. Wie um das Gesagte zu untermauern, zählte sie auf: »Leber, Herz, Nieren, Lunge, Bronchien, Cholesterin, Bluthochdruck, Eisenmangel und das Ganze eben.« Dabei schossen ihre Finger aus den Fäusten wie Böller an Silvester. Das klang nicht gut. Das klang tatsächlich nach Totalschaden.
    »Plotek, du bist am Ende.« Es schien unabwendbar.
    Plotek schüttelte den Kopf, am liebsten hätte er gefragt: »Und was ist dann der Kollege da nebenan?« Er wollte sich mit Susis Urteil nicht abfinden. Und schon gar nicht wollte er in die Behandlung bei diesem Schweizer.
    »Aber ich könnte mich doch auch hier erholen«, sagte er kleinlaut und hoffte auf Susis und Hohenthalers Verständnis.
    »Schon klar!« Susi lachte erneut, dieses Mal hinterhältig. »Du meinst am Tresen vom Froh und Munter , mit Weißbier, Tequila und ab und zu einem Schweinsbraten …«
    Plotek schüttelte abermals
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