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Silentium

Silentium

Titel: Silentium
Autoren: Wolf Haas
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ich brauch was Ordentliches.»
    Ihre Augen sind jetzt ein bißchen dunkel geworden, ich glaube fast, daß der Mann vor dem Fenster ihr in dem Moment noch gar nicht so sympathisch war. «Wozu brauchen Sie denn so was Starkes?»
    «Ich hab eine heikle Aufgabe vor mir.»
    «Und das schaffen Sie nicht ohne Valium?»
    «Es kann ja auch was anderes sein.»
    «Ich würde sagen, Sie sehen mir danach aus, daß Sie es auch ohne medikamentöse Unterstützung schaffen.»
    «Ohne medikamentöse Unterstützung?»
    Sie hat ernst genickt. Aber richtig böse ist sie auch nicht geworden, daß der Brenner sie nachgemacht hat. Du darfst nicht vergessen, zum Fenster einer Notapothekerin kommen die ganze Nacht die furchtbarsten Gestalten, Besoffene, Drogensüchtige, Prostituierte, Depressive, Schauspieler, alles. Da ist dieser Herr mit den sonderbaren Wangenfalten schon fast ein Lichtblick gewesen.
    «Sie haben sowieso schon Magenprobleme.» Weil Apothekerinnen immer gern ein bißchen Diagnose.
    «Neinnein, mein Magen ist in Ordnung. Die Falten hab ich ja nur, damit ich immer zwei frische Rasierklingen transportieren kann.»
    «Das ist gescheit. Da brauchen Sie nie wegen Rasierklingen bei einer Nachtapotheke läuten.»
    «Aber wegen Beruhigungsmittel.»
    «Wofür brauchen Sie denn das Beruhigungsmittel?»
    «Ich fürchte mich vor einer Blamage.»
    «Ach was. Ich verspreche Ihnen, daß es keine Blamage wird.»
    «Sie versprechen es mir? Kann ich mich auf Sie berufen?»
    «Gern», hat sie gesagt und lächelnd das Fenster zugemacht. Weil die hat sich jetzt gefreut, daß in fünf Minuten ihr Dienst vorbei ist.
    Wie sie dann drei Minuten nach acht aus der Apothekentür herauskommt, steht der Brenner da und sagt: «Gehen Sie mit mir frühstücken?»
    Sie hat sich schroff weggedreht und ist in ihr Auto gestiegen. «Was ist mit Ihrer schweren Prüfung?» hat sie im Einsteigen über die Schulter gefragt.
    «Das war ja die Prüfung», hat der Brenner gesagt. «Ich hab mir gedacht, ohne Beruhigungsmittel trau ich mich nie, Sie das zu fragen.»
    Jetzt nicht daß du glaubst, mit so einem blöden Gerede landest du im Bett irgendeiner Notapothekerin. Aber sie hat in dem Moment erst seine wunderschönen Verbrühungen entdeckt. Natürlich leuchtende Augen, ja was glaubst du.
    Rein medizinisch dürfte es aber doch auch wieder nicht gewesen sein, daß sie ihn drei Stunden später gleich in ihr Bett gelegt hat. Weil warum ist dann sie auch nackt gewesen? Quasi fast ein bißchen wie damals beim Spiritual Schorn, daß auch sie sich ausgezogen hat. Und ich muß sagen, Gott sei Dank, weil in Zivilkleidung hat sie dem Brenner zuerst gar nicht mehr so gut gefallen wie im weißen Apothekermantel. Vielleicht daß er doch von der Polizei her eine gewisse unnatürliche Vorliebe für Uniformen gehabt hat.
    Und die Notapothekerin natürlich hin- und hergerissen von der fürchterlichen Mordgeschichte, die der Brenner ihr den ganzen Vormittag lang erzählt hat. Normalerweise hat er nicht mit seinen Fällen angegeben, aber er hat jetzt ein bißchen was loswerden müssen, wahrscheinlich doch eine gewisse Überbelastung, weil das mit der Ermordung des Täters im Grunde genommen nicht vollkommen korrekt abgelaufen ist.
    So einfach war es aber gar nicht mit dem Loswerden, weil natürlich hat die junge Frau zwischendurch alles besser gewußt. Die ist nicht davon heruntergestiegen, daß die Marmortafel am Salzachufer gar kein Wetterbericht war. Sondern angeblich sogar ein Kollege von ihr geschrieben, Salzburger Apotheker mit dichterischer Begabung, das war mordswichtig für sie, hat der Brenner es eben gelten lassen.
    «Aber warum hat dieser Präfekt Fitz überhaupt gewußt, daß der Gottlieb die Karteikarte gefunden hat, wo ‹Mary macht Petting› draufgestanden ist?» ist das aufgeweckte Mädchen schon beim nächsten Punkt gewesen.
    «Mary macht Petting», hat der Brenner gelacht.
    «Haha!»
    «Der Gottlieb ist zu seinem Therapeuten auf den Mönchsberg hinauf. Aber nicht, um mit ihm zu reden. Sondern weil der philippinische Botschafter in der Prader-Villa gewohnt hat. Mitgekriegt haben das Gespräch aber alle, auch die Frau vom Dr. Prader.»
    «Der Waldbrand», hat die Notapothekerin spöttisch die Augen verdreht. Weil sie selber lange, kastanienbraune Haare, auch nicht schlecht, aber es hat ihr nicht gefallen, wie begeistert der Brenner vom Waldbrand erzählt hat.
    «Genau. Und die hat natürlich sofort den Fitz informiert. Und der hat kurzen Prozeß gemacht, weil die
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