Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silentium

Silentium

Titel: Silentium
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
der immer noch die weiße Plastiktasche auf dem Kopf gehabt hat. Er hätte sie sich natürlich selber herunterreißen können, wenn ihm der René nicht vorsichtshalber mit einer gelben
Billa
-Tasche die Arme an die Vorkriegswasserleitung gebunden hätte.
    «Da sieht man, daß du nichts von Plastiktaschen verstehst», hat der Brenner gesagt. «Sonst hättest du ihm nicht ausgerechnet die weiße aufgesetzt. Die weißen halten nichts mehr aus. Darum hab ich ja gewußt, daß es kein Sandler gewesen sein kann, der den Gottlieb eingepackt hat.»
    «Das war auch der da», hat der René für einen Moment geglaubt, er kann dem Brenner noch irgend etwas Neues erzählen.
    «Die weißen Plastiktaschen sind nichts wert», hat der Brenner dem René noch einmal erklärt.
    «Dafür ist sie gut genug», hat der René auf den Mann am Boden gedeutet. Und ich muß auch sagen, sie hat ihren Zweck erfüllt. Das hat man jetzt gerade deshalb so gut gesehen, weil das Material so schlecht war, daß der Inhalt schon blau durchgeleuchtet hat.
    «Der hat jahrelang die philippinischen Jungfrauen an die Festspielstars verhökert», hat der René gesagt, während er zugeschaut hat, wie die weiße Plastiktasche über dem Kopf vom Präfekt Fitz immer blauer geworden ist, nicht so blau wie eine
Kleider-Bauer-
Tasche, aber doch eindeutig nicht mehr blütenweiß, sondern von Sekunde zu Sekunde ein stärkerer Blaustich.
    Der René hat geglaubt, er kann dem Brenner imponieren mit dem, was ihm die Mary Ogusake erzählt hat. Dann natürlich große Enttäuschung, daß der Brenner alles weiß.
    «Seine Mutter ist Sekretärin bei den Salzburger Festspielen», hat ihm der Brenner gesagt. «So haben sie die Jungfrauen verteilt.»
    Der René hat nicht besonders beeindruckt geschaut, weil er hat jetzt dem Brenner auch nicht den Gefallen tun wollen, daß er sich überraschen läßt.
    «Und heute hat er auch noch die Frau von deinem Bewährungshelfer in die Felsenreitschule gestoßen.»
    «Die verrät keinen mehr.»
    «Auf der Bühne der Felsenreitschule hat sie irgendwie gar nicht echt ausgesehen.»
    «Waldbrand aus», hat der René gesagt, quasi Feuerwehrkommando.
    «Die war von Anfang an mit von der Partie. Für nichts überläßt dir nicht einmal die Kirche eine Villa am Mönchsberg.»
    «Und mich sperren sie dafür ein, daß ich eine Woche lang mit der fünfzehnjährigen Tochter vom Gefängnisdirektor meinen Spaß habe.»
    «Sie war ja noch nicht fünfzehn», ist der Brenner jetzt ein bißchen kleinlich gewesen.
    «Und die haben über Jahrzehnte ihre Jungfrauen verscherbelt und bleiben ungestraft.»
    «Gar so ungestraft wirkt der Präfekt aber nicht», hat der Brenner auf die Plastiktasche gedeutet, die immer blauer und blauer geworden ist, das hat jetzt schon ausgesehen, als würde in einer weißen Plastiktasche wirklich eine dunkelblaue
Kleider-Bauer-Plastiktasche
stecken, oder wer hat noch blaue Plastiktaschen,
ONE
-Telefone, oder bei
Levi’s-
Jeans habe ich auch schon blaue gesehen. Jeans natürlich, da paßt blau, aber zu einem menschlichen Kopf gehört an und für sich nicht blau.
    «Vielleicht solltest du ihm jetzt doch langsam den Knopf aufmachen», hat der Brenner gesagt und sich auf der Holzbank ein bißchen auf die Seite gedreht, daß seine Hose regelrecht gequietscht hat, ungefähr so wie es quietscht, wenn du in einem Sumpf spazierengehst.
    Aber der René hat nicht einmal reagiert. Er ist einfach stehengeblieben und hat gesagt: «Ich bin nur eine halbe Stunde einkaufen gewesen, und wie ich zurückgekommen bin, hat es in dem Wohnzimmer ausgesehen, wie –»
    «Ich hab es gesehen», hat der Brenner gesagt.
    «Und da sagst du, das ist kein Gestörter.»
    «Ich glaube, er hat eine richtige Wut auf die Weiber gehabt.»
    Der René ist auf einmal zornig geworden, weil der Brenner das so zurückhaltend gesagt hat. Ich muß zur Verteidigung vom Brenner sagen, daß er immer noch getropft hat wie ein nasser Hund, und er hat jetzt keine Energie mehr für einen empörten Tonfall gehabt. Der René natürlich war jetzt, nachdem er sich tagelang im Keller versteckt hat, so richtig in Schwung. Zuerst den Fitz überwältigt und ihm die Plastiktasche aufgesetzt, dann den Brenner gerettet, jetzt sind ihm in seinem jugendlichen Eifer vor Wut regelrecht die Tränen in die Augen gestiegen, und er hat geschrien: «Diese Gestörten beten Tag und Nacht eine Jungfrau an! Und weißt du, wohin das führt?»
    «Sie glauben, wenn das Jungfernhäutchen einmal verletzt ist, ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher