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Silence

Silence

Titel: Silence
Autoren: Savannah Davis
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zuckte zurück und nickte in Richtung Haus.
    »Noch bist du nicht da.«
    Ich runzelte die Stirn und stapfte murrend vor Giovanni her über die lange Einfahrt, die in einem leichten Bogen zum Haus führte. Die kleinen, nur wenige Ze ntimeter hohen Laternen waren angeschaltet und wiesen uns den Weg. In den Fenstern gähnte die Dunkelheit. Ich schloss daraus, dass meine Eltern noch nicht zu Hause waren. Von Giovanni gefolgt, stieg ich die breite Treppe zur Eingangstür hinauf und blieb davor stehen. Als ich mich zu ihm umdrehte, hatte er sich so nahe über mich gebeugt, dass ich fast schon wieder mit ihm zusammengestoßen wäre.
    »Also dann bis morgen. War schön dich retten zu dürfen.« Er grinste bis über beide Ohren und sprang mit einem Satz über die Verandabrüstung, ungefähr zwei Meter in die Tiefe.
    Ich konnte den dumpfen Aufprall hören, als er unten auf der Wiese ankam, und dann eilige Schritte, die über den Kies, mit dem die Auffahrt versehen war, davoneilten.
    Mit zitternden Fingern kramte ich den Hausschlüssel aus meiner Tasche und schloss die Tür auf. Als ich mich umdrehte und das Grundstück mit den Augen nach Giovanni absuchte, konnte ich ihn schon nicht mehr ausmachen. Auf der großen Wiese stand nur einsam wie eh und je der Springbrunnen, in dessen Mitte ein steinerner Wolf den Mond anheulte.
    Ich betrat das Haus, schloss die Tür aber nicht sofort, sondern suchte nach Giovannis Gedanken, ohne dass ich eine Antwort bekam. Schon auf dem Heimweg war mir aufgefallen, dass ich in meinem Kopf alleine gewesen war, obwohl Giovanni so nah neben mir hergelaufen war. Aber ich hatte auch nicht versucht, seine Gedanken zu hören. Auch bei Kate war es so, dass ich mich auf sie konzentrieren musste, um ihre Gedankenstimme zu hören.
    Ich ließ meine Tasche in die Ecke hinter der Eingangstür fallen und stiefelte in die Küche. Wäre Mariana noch bei uns gewesen, würde mich jetzt schon der Duft von köstlichem Essen empfangen. In den letzten Wochen betrat ich die Küche nur ungern. Hier waren die Erinnerungen an Mariana noch so allgegenwärtig.
    Mariana starb mit ihren dreiundsechzig Jahren viel zu früh. Sie stand oft hier, schnitt Möhren, buk Plätzchen und plauderte mit mir. Es war schön gewesen, nach Hause zu kommen und zu wissen, dass da jemand war, der einen erwartete.
    Die Einsamkeit, die mich jetzt hier umgab, war erdrückend. Ich schluckte einen Kloß hinunter, während ich eine Tiefkühlpizza in den Backofen schob.
    Mariana Schürze hing noch immer an ihrem Platz neben der Küchentür. Meine Mutter wollte sie schon vor Wochen mit zu ihren anderen Sachen legen. Ich konnte das nicht zulassen. Diese Schürze war ein Teil von Mariana. Und sie gehörte in diese Küche. Nicht in einen Karton oben auf dem Dachboden. Mit den Fingern strich ich über das Kleidungsstück. Ich griff danach und sog tief den Geruch ein, der nach wie vor an der Schürze haftete; eine Mischung aus Muffins, Vanille und Mariana blumigem Parfüm.
    Nachdem ich gegessen hatte, stieg ich die breite Treppe im Eingangsbereich hinauf ins oberste Stockwerk, wo sich die Schlafzimmer befanden. Das meiner Eltern, mein Zimmer und drei Gästezimmer, die selten benutzt wurden. Eigentlich konnte ich mich nur an eine Gelegenheit erinnern, als diese Zimmer mal benutzt wurden.
    Ich war vielleicht vier oder fünf gewesen, da besuchte uns ein Ehepaar. Ich hatte mir damals vorgestellt, sie wären ein Königspaar, denn sie hatten viele Bedienstete und schienen sehr wichtig zu sein. Mariana verbrachte Stunden in der Küche, um jeden Tag ein riesiges Festmahl zu bereiten. Meine Mutter wirbelte aufgeregt um das Paar herum und versuchte, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Abends brachte mich dann immer mein Vater in mein Bett und las mir Geschichten vor, weil meine Mutter mit diesen Fremden bis spät in die Nacht Gott weiß wo war. Selbst mein Vater machte ein großes Geheimnis um das, was meine Mutter die halbe Nacht mit den Fremden tat. Er meinte knapp: »Mama muss arbeiten.«
    Dann las er weiter, während draußen im nahe gelegenen Wald die Wölfe heulten.
    Der Gesang dieser Tiere begleitete mich durch meine Kindheit wie ein treuer Freund. Wenn ich abends im Bett lag und nicht einschlafen konnte, lauschte ich ihren tröstenden Klängen. Manchmal träumte ich dann davon, dass ich mit ihnen durch den nächtlichen Wald streifen würde, frei von allem, was mich bedrückte. Ich wäre ein Wolf und würde gemeinsam mit ihnen zum Mond hoch singen, mit
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