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Silence

Silence

Titel: Silence
Autoren: Savannah Davis
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1. Kapitel

    »Du kannst Gedanken lesen, Lisa. Das ist eine Gabe, kein Fluch«, raunzte mich Kate an.
    Meine schlimmsten Sommerferien waren vorbei. Wir trödelten dem ersten Schultag entgegen. Für Kate ein er freuliches Ereignis, weil Schule für sie hieß, dem langweiligen Kleinstadtleben zu entfliehen und sich wieder auf das Cheerleadern konzentrieren zu können.
    Für mich ein Albtraum, weil meine Mitschüler mich mieden wie die Pest. Ich hatte es im letzten Schuljahr an nur einem Tag von der Schulqueen zur Ausgestoßenen geschafft. Was, wenn es nicht so traurig wäre, eine erstaunliche Leistung war. Gestern hieß es noch; Lisa, Kapitän der Cheerleader. Heute; Lisa, die Todesfee, was nur eine etwas nettere Bezeichnung für Mörderin war.
    Begonnen hatte mein rapider Abstieg mit der Diagnose Lungenkrebs. Nicht für mich. Für Mariana, unsere Haushälterin und die einzige Person, die wirklich wie eine Mutter für mich war. Meine eigentliche Mutter, eine Karrierefrau, wie sie im Buche steht, war für jeden in Silence da, außer für mich. Denn Familie steht nun mal nicht an erster Stelle auf der To-Do-Liste, wenn man die Frau des Bürgermeisters ist und das auch bleiben will.
    Kate – meine beste Freundin – war überzeugt davon, dass ich meine neue Gabe mehr würdigen sollte. Das Einzige, was ich zu würdigen wusste, war Kates neue Gard erobe, die sie sich in den Ferien zugelegt hatte. Passend zum Herbst, der langsam Einzug in Silence hielt, trug sie einen langen mokkabraunen Wollrock, der sich eng an ihre schlanke Figur schmiegte, und einen Poncho in ähnlichem Farbton.
    »Glaub mir, wenn dein Kopf unfreiwillig zugestopft wäre mit all dem Zeug, das anderen so durch den Schädel geistert, dann würdest du anders denken. Ich werde schon kaum mit meinen Problemen fertig, da brauche ich nicht noch die pubertären Sorgen aller Teens aus Silence.«
    Kates Versuche mich aufzubauen, scheiterten an den Nebenwirkungen meiner neuen Gabe – Migräne. Was ich aber eigentlich fürchtete, waren nicht die Sorgen der Teenager, sondern das, was sie über mich denken könnten.
    Die Monate nach meinem Zusammenbruch hatte ich in einer psychiatrischen Klinik verbracht. Eine Maßnahme, für die ich meiner Mutter ausnahmsweise einmal dankbar war, bewahrte sie mich doch davor, den Menschen in die Augen blicken zu müssen, die früher einmal meine Freunde waren. Nicht, dass ich es ihnen verübeln könnte, dass sie sich von mir abgewandt hatten. Nein, ich ve rstand sie sogar sehr gut.
    Kates dunkelgrüne, dick mit Kajal umrahmte Augen funkelten mich an. »Du hättest eben auf mich hören sollen. Wenn du öfters mal unter Menschen gegangen wärst, müsstest du es jetzt nicht mit dem Vorschlaghammer lernen. Wahrscheinlich könntest du diese Fähigkeit jetzt schon kontrollieren.«
    Kate zupfte ihre Kleidung zurecht und kämmte ihre dunkelbraune Victoria-Beckham-Frisur mit den Fingern durch, bevor sie das Klassenzimmer betrat. »Bereit?«
    Den Kommentar auf meiner Zunge schluckte ich hinunter und zog stattdessen eine Grimasse hinter Kates Rücken. Sie hatte recht, das wusste ich. Statt zu versuchen, mit dieser neuen Fähigkeit irgendwie umzugehen, hatte ich es vorgezogen mich in meinem Zimmer zu verbarrikadieren. Nicht zuletzt, um den Kopfschmerzen zu entg ehen, die dieser Fluch mit sich brachte. Aber zu allererst, weil ich nicht hören wollte, was die Einwohner von Silence über mich dachten.
    Die ersten Stimmen hatte ich auf Mariana Beerdigung gehört. Anfangs war es nur ein leises Flüstern, fast als summe etwas in mir. Ich hatte versucht, dieses Geräusch zu ignorieren. Doch dann wurden die Stimmen deutlicher und das, was sie sagten, verständlicher. Ich konnte hören, wie die Verkäuferin überlegte, was sie am Abend mit ihrem Freund unternehmen könnte, während sie Kate eine Hose heraussuchte. Die Stimmen flüsterten mir zu, was Kate durch den Kopf ging, wenn sie darüber nachsann, wie sie Matt auf sich aufmerksam machen könnte. Oder wenn ich eine neue Jeans anprobierte und sie bemerkte, dass ich etwas dicker geworden war, es aber nicht aussprach.
    Erst wagte ich nicht, es ihr zu sagen, weil es einfach zu verrückt war. Ich konnte es selber kaum fassen und war eher bereit zu glauben, dass ich den Verstand verlor – was, wenn man bedenkt, was ich in dem letzten Jahr alles durchmachen musste, nicht verwunderlich gewesen wäre. Doch dann, als es immer deutlicher wurde, dass ich wusste, was sie sagen würde, bevor sie es au ssprach,
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