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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod
Autoren: F E Higgins
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Juno sanft. »Ich schwöre.Vielleicht war das Grab schon ausgeraubt worden. Der Sargdeckel war nicht mehr angenagelt.« Sie sah Pin an. »Wird’s dir zu viel? Soll ich aufhören?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich will alles wissen.«
    »Benedict verstaute die Knochen im Sack und wollte gehen. Ich war neugierig geworden und fragte ihn, was er damit vorhabe. Da erklärte er, dass er sich etwas ausgedacht habe, wie er ein bisschen Geld verdienen könnte. Er wollte mit dem Skelett umherziehen und die Tote als eine Art Wahrsagerin benutzen, die in die Zukunft sehen könne.
    ›Und wie soll sie das anstellen?‹, fragte ich. ›Sie ist tot.‹
    ›Ich dachte, das könnte ich vielleicht irgendwie mit meiner Stimme machen‹, antwortete er.
    Ich lachte. Ich fand den ganzen Plan blödsinnig, er würde nie funktionieren, und das sagte ich ihm auch.
    Benedict geriet ein bisschen aus dem Konzept. ›Hast du etwa eine bessere Idee?‹
    ›Ja, habe ich‹, erwiderte ich und erzählte ihm von meinem Credo-Mittel. Ich war überzeugt, wir würden es zu unserem Vorteil einsetzen können. Und dann entwickelten wir gemeinsam unseren Plan. Er würde die Rolle des Leichenmagiers spielen und ich würde das Mittel herstellen und die Stimmen übernehmen. Das war der Grund, weshalb ich immer diese lange Kapuze auf dem Kopf hatte. Die Leute sollten nicht sehen, dass Madame de Bonas Stimme in Wirklichkeit meine war. Mich hat ohnehin nie jemand angeschaut. Wir verließen die Stadt und zogen durch das ganze Land. Das kam mir nur gelegen. Wir verdienten Geld, besonders mitden privaten Totenerweckungen, und während wir so von Ort zu Ort reisten, erkundigte ich mich überall nach dem Mann, der meinen Vater ermordet hat. Zwei oder drei Mal waren wir ihm schon ganz nahe gewesen, doch leider kamen wir immer zu spät.«
    »Aber wie war das mit den Fragen?«, wollte Pin wissen. »Woher hast du gewusst, wie du reagieren sollst?«
    Juno lächelte. »Ich habe es allmählich ganz gut raus, Antworten zu geben, ohne etwas Genaues zu sagen. Du müsstest es doch wissen, Pin. Du hast Madame de Bona nach deinem Vater gefragt. Ich habe dir kaum etwas Brauchbares gesagt, aber wenn man unter dem Einfluss des Credo-Mittels steht, klingt alles, was ich sage, einleuchtend. All diese Appelle an Hades, den Herrn über die Schatten der Toten. Das hat alles nichts zu bedeuten. Es ist nur Schau. Das Einzige, worauf es wirklich ankommt, ist die Kräutermischung.
    Nun ja, irgendwann haben sich die Dinge geändert. Mit Benedicts Gesundheit ging es allmählich bergab, und den Mann, den ich suche, habe ich noch immer nicht gefunden. Außerdem haben mich auch andere Dinge geplagt. Ich empfand allmählich, dass es nicht richtig sei, was wir machten. Als ich im Lauf der Zeit wieder und wieder die gleichen Fragen an Madame de Bona hörte, begriff ich, dass ich die Menschen täuschte, dass ich ihren Verstand mit meinem Mittel beeinflusste und ihnen dann erzählte, was sie gern hören wollten. Lügen als Wahrheit getarnt. Da erklärte ich Benedict, dass ich keine privaten Totenerweckungen mehr machen wolle, und wir einigten uns darauf, dass Sybil die Letzte sei. Mr Beldingwar ja nicht nur irgendein neugieriger Zuschauer, der einen unterhaltsamen Abend suchte. Er war ein verzweifelter Mann. Dass ich so tun musste, als würde Sybil ihm verzeihen, ist mir sehr schwergefallen, es war vielleicht das Gemeinste, was ich je getan habe.«
    »Willst du Madame de Bona deshalb nicht mitnehmen, wenn du von hier weggehst?«, fragte Pin. Er brachte es nicht über sich, »meine Mutter« zu sagen.
    »Zum Teil deswegen, ja«, sagte Juno. »Aber so richtig entschlossen habe ich mich erst heute Abend, als ich die weiße Blume in deinem Taschentuch sah. Du hast gesagt, du hättest sie auf dem Grab deiner Mutter gefunden?«
    Pin nickte langsam. »Aber was hat denn das damit zu tun?«
    Juno sprach jetzt unter krampfhaften Schluchzern. »Weißt du, Pin, die Blumen … die habe ich auf ihr Grab gelegt, nur … nur hatte ich damals keine Ahnung, wer sie war. Und als ich das heute Abend begriff, konnte ich nicht fassen, was ich getan habe. Wie könnte ich nach dieser Entdeckung Madame de Bona, deine Mutter , mitnehmen? Und so beschloss ich, ohne dich wegzugehen – feige, ich weiß, aber ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich habe versucht, alles in Ordnung zu bringen, sie wieder zu begraben. Aber es geht nicht. Die Erde ist zu hart.«
    Juno sah Pin aus glasigen, rot unterlaufenen Augen an. »Ob du
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