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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod
Autoren: F E Higgins
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mir je verzeihen kannst?«, flüsterte sie. »Was ich getan habe, ist ganz schrecklich.«
    Mit zittrigen Beinen erhob sich Pin, trat auf Juno zu und umarmte sie. »Natürlich verzeihe ich dir. Ich kann nichtleugnen, dass es wehtut, aber du hast es ja nicht gewusst. Und du hast versucht, es wiedergutzumachen.«
    »Da«, sagte Juno. Sie gab ihm ein Sträußchen weiße Trockenblumen. »Gänseblümchen aus den Moiraean-Bergen. Die wollte ich ihr in den Sarg legen. Sie bedeuten ›Entschuldigung‹.«

Kapitel 40

    Artikel aus dem
    Daily Chronicle
von Urbs Umida
    Silberapfel-Mörder entdeckt
    Von Deodonatus Snoad
    Verehrte Leser,
    es gibt wohl inzwischen kaum mehr jemanden, der nicht von der Flucht des Gefräßigen Biests erfahren hätte. Zu seinem Aufenthaltsort oder seinen Absichten kann ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern, doch zweifellos werden die Bürger dieser Stadt früh genug dahinterkommen.
    Höchstwahrscheinlich dürfte ebenfalls bekannt sein, dass ich, Deodonatus Snoad, das Biest befreit habe. Vielleicht hat ja Mr Idolice davon berichtet. Ich wüsste gern, ob er auch erzählt hat, dass er mich acht Jahre lang in seinem Wanderzirkus Rudy Idolices Panoptikum der kuriosen Wunder gefangen gehalten und unter dem Namen Mr Scheusal ausgestellt hat. Tagtäglich musste ich wie das Biest die Qual über mich ergehen lassen, gestoßen, gepiesackt und angestarrt zu werden. Aber anders als das Biest konnte ich fliehen und mein Leben nach meinen eigenen Wünschen gestalten. Vielleicht wird jetzt langsam klar, warum ich so gehandelt habe, warum ich es einer völlig unberechenbaren Bestie ermöglicht habe, frei durch die Stadt zu streunen. Ich habe weiter nichts getan, als ihr die gleiche Gelegenheit zu verschaffen, wie ich sie hatte, und ich bin überzeugt, dass die Kreatur mir dankbar sein wird. Angesichts der Bewohner dieser Stadt besteht zudem die Möglichkeit, dass dieses Biest unter Euch nicht einmal auffällt.
    Noch etwas kann ich auf dieser meiner letzten Seite für den Chronicle aufklären. Die Tatsache, um die es sich dabei handelt, dürfte nach meiner Überzeugung noch nicht allgemein bekannt sein: die Identität des Silberapfel-Mörders. Ich kann sie nun preisgeben, weil ich beabsichtige, schon weit weg von Urbs Umida zu sein, wenn diese Zeilen gelesen werden. Wie das Biest werde ich ein neues Leben beginnen.
    Ihr müsst wissen, meine verehrten Leser – und diese Anrede meine ich ganz ehrlich, da ich jetzt erkenne, dass Ihr in den vergangenen Jahren auf Eure Art meine einzigen Freunde wart –, ich, Deodonatus Snoad, Euer ergebenster Diener in allen berichtenswerten Angelegenheiten dieser Stadt, bin der Silberapfel-Mörder.
    Aber warum?, höre ich Euch aufschreien. Womit haben wir das verdient?
    Ich will es Euch erklären. Ihr seid in den Flinken Finger gegangen, um die Bestie anzuglotzen. Das war der Grund.
    Während Ihr herzlos in den Käfig gestarrt habt, dachtet Ihr: Wenigstens bin ich nicht so wie dieses Monster. Und hinterher seid Ihr hinaus auf die Brücke gegangen und habt Euch gewundert, wenn wieder einer von Euch in den Tod gestoßen wurde. Jetzt aber ist die Bestie frei und hat die Chance, sich zu rächen. Vielleicht hat sie es ja schon getan. Und das ist genau das, was jeder einzelne Gaffer von Euch verdient.
    Denkt daran:
    »Ο ανόητον θεωρεί ανόητο ως καλόν «
    Es gibt kein nächstes Mal,
    Deodonatus Snoad
    Anmerkung der Redaktion:
    Dieser Artikel wurde in der Nacht, als das Biest befreit wurde, im Büro des Chronicle abgegeben. Unter Berücksichtigung des Themas waren wir der Ansicht, die Bürger von Urbs Umida sollten die Möglichkeit haben, ihn zu lesen. Leider gibt es bisher keine Nachricht vom Verbleib der Bestie. Man kann nur hoffen, sie wird eingefangen, bevor noch weitere Personenzu Schaden kommen. Was Deodonatus Snoad betrifft, so wurde er am Morgen nach der Befreiung der Bestie zusammen mit Rudy Idolice im Käfig aufgefunden. Es lässt sich nur vermuten, dass die Bestie für ihre Freiheit nicht so dankbar war, wie Deodonatus es sich vielleicht gewünscht hatte.
    Der Herausgeber
    PS: Soweit wir das griechische Zitat verstehen konnten, bedeutet es:
    »Ein Esel hält einen Esel für einen hübschen Zeitgenossen.«
    Damit fange jeder an, was er will.

Kapitel 41

    Pins Tagebuch
    Nun, verehrter Leser (wie Deodonatus so gern schrieb, wenn ich auch nicht annehme, dass dieses Tagebuch von so vielen gelesen wird wie der »Chronicle«), ich kann nicht
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