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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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an das Bett heran. Ken hielt die Augen geschlossen, das Gesicht leicht abgewandt. Als mein Schatten über ihn fiel, bewegte er den Kopf, hob schläfrig blinzelnd die Lider. Sein Blick klärte sich; ein Lächeln flog über sein Gesicht. Neben dem Bett stand ein Stuhl, den ich mit tastenden Händen heranzog. Ich setzte mich, lehnte mich über die Decke, den Kopf an Kens Brust. Ich spürte unter meiner Wange, wie sein Zwerchfell arbeitete. Er hob behutsam die rechte Hand, kraulte mein Haar.
    Eine Weile schwiegen wir beide; ich schmiegte mich an ihn, dann richtete ich mich auf, hielt ihm wortlos meine Hand hin. Da sah er, was ich darin hatte. Ein Funke blitzte in seinen Augen auf, als ich die Uhr in seine Handfläche legte und seine Finger sich um sie schlossen. Wir sahen uns an. Nun lächelte er, langsam, bezaubernd und strahlend. Als er sprach, klang seine Stimme kaum anders als sonst, nur müde.
    »Chérie, wir haben jetzt allen Grund, mächtig anzugeben.«
    Ich drückte das Gesicht an seinen Hals; ich fühlte die brennende Fieberhitze, 552
    das Pochen seiner Schlagader unter meinem Mund.
    »Ken, was ist mit uns geschehen?«
    »Manche Leute würden sagen, wir hatten eine Vision. Aber es war mehr. Wir haben ja den greifbaren Beweis. Das macht uns so leicht keiner nach.«
    »Haben wir das alles zusammen erlebt?«
    »Alles, ja.«
    Mir fiel auf, wie trocken seine Lippen waren.
    »Hast du Durst?«
    Auf dem Nachttisch stand ein Glas mit Wasser. Ich stützte ihn, half ihm trinken. Er trank mit geschlossenen Augen. Als das Glas geleert war, lehnte er sich an den ihn haltenden Arm, schlug lächelnd die Augen zu mir auf. Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Kannst du dich an alles erinnern?«
    »Und du? Was hast du gesehen?«
    »Dich. Mitten im Feuer.«
    »Ich dich auch.« Seine Stimme klang belegt. »Es war kein Traum. Und auch keine Augentäuschung. Wir haben die Veranlagung dazu, solche Dinge zu erleben.
    Nicht nur, daß ich dich sah: Ich fühlte dich in mir. Es war eine Ekstase, das Wort ist schon in Ordnung. Nun, da der Augenblick vorbei ist, möchte ich ihn immer wieder nacherleben, ganz egal, was hinterher passiert. Du hattest Angst, nicht wahr?«
    »Ich habe Angst gehabt, ja.«
    Ich legte ihm das Kissen zurecht. Er sank zurück; sein Blick schweifte still umher. Nach einer Weile sagte er, ganz leise:
    »Es ist ein seltsamer Zustand, nicht wahr? Ich hatte ihn noch nie so erlebt. Die Welt des Geistes… mit Verstand kommt man da nicht weiter. Der Geist macht uns handgreiflich klar, was von uns gewünscht wird. Noch als ich dir die Uhr durch die Flammen reichte, wußte ich nicht, daß ich das vorhatte. Plötzlich mußte ich es einfach tun. Und auf einmal… da hatte ich die Vision einer Füchsin, die durch das Feuer sprang. Im selben Augenblick geschah es. Wir rissen die Schranke nieder.«
    »Sie war wirklich da, Ken. Die Füchsin, meine ich. Eric hat sie gesehen.«
    Sein Blick wurde starr.
    »Hat er das wirklich?«
    »Ja, Ken.«
    Seine Augen waren ins Leere gerichtet. Etwas war in ihm geweckt worden. Aus dem Grund der Zeiten traten längst verschüttete Visionen in sein Bewußtsein. Und er, der so ruhig und gleichmütig geworden war, erschrak vor diesen Bildern.
    »Inari«, flüsterte er.
    Mein Herz flog. Bei diesen Bildern sollte er nicht verweilen. Seine Lebenskraft war geschwächt, er war so verletzlich jetzt. Behutsam nahm ich seinen Nacken in beide Hände, legte meinen Mund auf seine heißen Lippen. Er zuckte kurz; ich 553
    spürte, wie er mich wahrnahm, wie er meinen Kuß erwiderte, nicht nur mit den Lippen. Einige Atemzüge lang versanken wir in der Wärme dieses Kusses, tiefer hinab und tiefer, bis die Schatten sich auflösten und er leise gegen meine Wange lachte.
    »Liebste, was machst du nur mit mir? Glaubst du, daß hier der richtige Ort dafür ist?«
    Ich seufzte tief. Die Schrecken waren gebannt; sie würden nie wieder auftauchen.
    »Ken, irgend etwas hat sich ereignet.«
    »Allerdings. Und das war nur möglich, weil du und ich sind, was wir sind. Du bist doch nicht unglücklich darüber?«
    »Doch. Deinetwegen. O Ken! Warum mußte es so kommen?«
    »Das war eben der Preis. Sieh nur deine Hände an! Und dein Knie.«
    »Das ist nichts… überhaupt nichts. Sag, hast du starke Schmerzen?«
    »Es geht. Sie haben mir Mittel gegeben. Ich bin etwas benommen. Jetzt erzähl mal, was hat Kimiko eigentlich gesagt?«
    Ich lächelte vor mich hin, mit halbem Geist.
    »Sie hat mich O Shirasan genannt.«
    Seine Augen leuchteten
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