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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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oder war es sein eigener Herzschlag? –, und schon bevor er hindurch war, wusste er, was er auf der anderen Seite sehen würde.
    Er platzte in eine riesige Höhle hinein. Hunderte von Silberflügeln schwirrten umher und weitere hunderte hingen an den Wänden und von gewaltigen Stalaktiten, die sich von der Decke herabsenkten.
    Hibernaculum.
    Die Kolonie war auf die doppelte Größe angewachsen durch all die Männchen, die sich vom Felsenlager aus den Weibchen angeschlossen hatten. Er konnte die Wärme spüren, die ihre Körper verströmten.
    „He!“, schrie er glücklich. „Hallo!“
    Überwältigt flog er mit Marina in engen Kreisen. Seine Augen schweiften durch die Wolke von Fledermäusen hin und her und suchten nach seiner Mutter, Frieda und anderen vertrauten Gesichtern. All diese neuen Fledermäuse starrten ihn überrascht an und er wurde sofort mit Fragen überschüttet. „Wo kommst du her?“, und „Bist du bei Tag geflogen?“, und „Bist du verrückt?“, und dann „Warte mal, das ist doch das Junge, das im Sturm verloren gegangen ist!“, und „Das gibt’s doch nicht!“
    „Ja, er ist es!“, rief er zurück. „Ich bin’s! Schatten! Ich habe mich verirrt. Aber ich habe euch wieder gefunden!“
    „Schatten?“ Die Stimme seiner Mutter drang durch den Lärm. „Schatten!“
    Sein Herz hüpfte und er richtete sein Klang-Sehen auf sie aus. Er wollte unverzüglich zu ihr hinfliegen, aber er konnte Marina nicht allein lassen.
    „Komm mit“, sagte er zu ihr. „Komm und lerne meine Mutter kennen.“
    Mit Marina an der Seite flog er zu Ariel. In freudiger Überraschung flatterten sie umeinander, bevor sie sich auf einem Felsensims niederließen. Schatten schob das Gesicht in ihr warmes, duftendes Fell. Ihre Flügel umarmten ihn.
    „Wir dachten, du bist tot!“
    „Nein“, sagte er glücklich. „Ich lebe. Mami, dies ist Marina. Ich habe sie getroffen, als ich mich in dem Sturm verirrt habe. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich umgekommen.“
    Marina hatte sich ein wenig abseits niedergelassen und schaute verlegen zu. Ariel streckte einen Flügel zu ihr aus. „Komm näher“, sagte sie freundlich. „Ich danke dir.“ Sie liebkoste das Glanzflügelmädchen voller Dankbarkeit.
    „Nun, einer hat vom anderen profitiert“, sagte Marina. „Wir haben uns gegenseitig geholfen.“
    Ariel wandte sich wieder an Schatten und schüttelte den Kopf. „Erzähl mir, was …“ Sie brach ab, als sie die Löcher in seinen Flügeln sah. „Du hast dich verletzt!“
    „Es ist nicht schlimm, wirklich.“
    „Und du bist auch verletzt“, sagte sie zu Marina mit einem Blick auf deren blutigen Unterarm. „Wir müssen uns darum kümmern …“
    „Das ist jetzt nicht wichtig“, sagte Schatten ungeduldig. Er platzte vor Neuigkeiten. „Mami, Cassiel lebt!“
    Ungläubig kniff sie die Augen zusammen. „Aber … woher weißt du das?“
    „Zephir hat es uns gesagt, eine weiße Fledermaus, weißt du, der Hüter des Turms in der Stadt. Er kann weit in die Vergangenheit sehen und in die Zukunft und …“ Er holte tief Luft, stieß sie dann schnell wieder aus.
    „Fang mit dem Anfang an.“
    Es war Frieda, die herangeflattert kam, um sich bei ihnen niederzulassen. „Willkommen daheim, Schatten.“
    „Ich hab’s geschafft!“, sagte er ihr stolz.
    „Das sehe ich.“ Um die Augen der Fledermausältesten bildeten sich Lachfältchen, als sie mit einem Flügel Schattens Kopf berührte. „Und ich bin sicher, du hast eine Menge zu erzählen.“
    Am Anfang zu beginnen war qualvoll für Schatten.
    Er wollte immer vorausspringen, er wollte alles auf einmal sagen. Aber er zwang sich dazu langsam vorzugehen. Seine Flügel waren flach ausgebreitet, seine Wunden mit wohltuendem Beerensaft bedeckt. Zephir war schließlich nicht der Einzige, der über Heilmittel Bescheid wusste. Frieda hatte darauf bestanden, erst ihre Wunden zu versorgen, bevor sie sie mit ihrem Bericht beginnen ließ. Nun erzählten Schatten und Marina zusammen ihre Geschichte. Jeder fügte die Ereignisse oder Details ein, die der andere ausließ.
    Die ganze Kolonie hörte hingerissen zu. Obwohl die Abenddämmerung schon längst vorbei war und sie draußen auf Jagd hätten sein können, um sich auf den großen Winterschlaf vorzubereiten, zogen es die Silberflügel vor zu bleiben und zu hören, was dieser junge Silberflügel und sein Glanzflügel zu sagen hatten.
    Während er sprach, entdeckte Schatten Aurora, Lucretia und Bathsheba, die sich oberhalb von ihm
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