Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
Luft. Alles hatte zugleich eine Tiefe und eine Oberfläche, wie er es sich nie vorgestellt hatte. Niemals zuvor hatte er die Luft bemerkt und wie sie das Licht aufsaugte. Er konnte sie beinahe mit den Augen fühlen. Alles leuchtete.
    Die Welt war schön, aber schmerzhaft. Seine Augen waren noch nicht bereit für mehr. Er ließ sie nur einen Spalt breit offen.
    „Lass uns höher fliegen“, sagte er. Er wollte weg von diesen Bäumen, hoch in den Himmel, wo es weniger Vögel geben würde. Es war durchaus möglich, dass eine scharfäugige Krähe sie von unten beobachtete. Sie hätten so niedrig keine große Vorwarnzeit, sollte eine zuschlagen.
    Nachts waren seine schwarzen Flügel und der schwarze Körper an die Dunkelheit gut angepasst, nun machten sie ihn zu einem leicht wahrzunehmenden Ziel. Marina hatte es ein wenig besser mit ihrem hell glänzenden Fell.
    Es wurde dunkler, dicke Wolken schoben sich vor die Sonne. Und es gab auch Wind, der den unverkennbaren Geruch von Blitzen mit sich brachte.
    „Ein Gewitter ist im Anzug“, sagte Marina.
    In der Höhle legte Goth im Schlaf die Flügel an den Körper. Die Nase zuckte. Irgendetwas stimmte nicht. Er breitete den Flügel aus und tastete über den Boden. Er knurrte und mit einer großen Anstrengung hob er langsam die schweren Augenlider. Schatten war weg.
    „Throbb“, jammerte er, die Kehle noch vom Schlaf verschlossen. Er hustete und raffte sich auf. „Throbb!“
    Throbb schlief selbstvergessen weiter.
    Wütend taumelte Goth hoch, stürzte durch die Höhle, stieß Throbb mit der Schnauze an und hob seine Flügel, um darunter nachzusehen.
    „Was?“, schrie Throbb alarmiert.
    „Sie sind weg!“
    „Es ist noch Tag“, sagte Throbb, als er aus dem Höhleneingang hinausblinzelte. „Sie können nicht …“
    „Sie sind weg!“, brüllte Goth noch einmal. Er schnüffelte den Boden nach ihrem Geruch ab. „Aber noch nicht lange. Hoch mit dir.“
    „Ins Licht?“
    „Ja.“
    „Aber das ist gefährlich.“
    Mit einer kurzen Kopfbewegung packte Goth Throbbs Flügel mit der Schnauze und fuhr mit den scharfen Zähnen über den Blasen hin und her. Throbb jaulte auf.
    „Der Winter ist gefährlich“, zischte Goth. „Und wenn wir nicht diese Höhle der Silberflügel finden, werden wir erfrieren! Und du als Erster.“
    „Ja, ja“, wimmerte Throbb.
    Sie stürzten zum Höhleneingang und flogen los in den Tag hinaus.
    Der Wind kam hinter ihnen herangebraust wie eine Furie, aber Schatten war froh darüber. Es bedeutete, dass weniger Vögel unterwegs sein würden. Und was besonders wichtig war, sie würden immer weiter von den Kannibalenfledermäusen weggetrieben werden. Er konnte an den Veränderungen der Temperatur und des Lichts erkennen, dass der Himmel von Wolken bedeckt war. Schon wurde es schwierig zu steuern und Schatten fragte sich, wie lange sie noch weiterfliegen konnten, ehe sie sich einen Unterschlupf suchen mussten. Unter ihnen glitt der Boden mit beängstigender Geschwindigkeit vorbei und er hatte kaum noch die Kontrolle über seine Flügel.
    „Wie kommst du klar?“, übertönte Marina den Wind.
    „Ich habe Angst“, gab er zu.
    „Ich auch.“
    „Wir müssten eigentlich bald wieder am Fluss sein.“ Wenn ich keinen Fehler gemacht habe, dachte er besorgt. Er glaubte, einige Orientierungspunkte wieder erkannt zu haben, aber es gab auch Strecken, die ihm vollkommen neu vorkamen. Aber ein paar Tausend Flügelschläge später wurde das baumbestandene Gelände von der gewundenen Linie des Flusses unterbrochen.
    „Da ist er!“, schrie Schatten aufgeregt.
    Und da war eine Eule, die sich von den Bäumen direkt vor ihnen erhob.
    „Gesetzesbrecher!“, kreischte sie.
    Er wurde direkt auf die Eule zugeweht, sie beide, und Schatten wusste, sie würden ihren Klauen nicht entkommen. Keine Zeit abzubiegen, keine Zeit höher zu steigen. Und in dem endlos scheinenden Sekundenbruchteil erinnerte er sich an den Bärenspinner, den er vor so langer Zeit beim Baumhort gejagt hatte, wie langsam und hilflos er schien, aber …
    Er wusste nicht einmal, ob es funktionieren würde.
    Aber es war seine einzige Chance.
    Er schloss die Augen und sang der Eule ein Klangbild zu. Er malte ein Dutzend verschiedene Fledermäuse in die Luft um sie herum, einige, die höher aufflogen, einige, die eine Rolle seitwärts machten, einige, die auf den Boden hinabstürzten.
    Er sah, wie die Eule zögerte. Wo waren die wirklichen Fledermäuse? Es funktionierte! Er hatte sie abgelenkt! Aber die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher