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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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Augen. Der Blitzstrahl schoss an ihm vorbei, so nahe, dass er die gewaltige Hitze spüren konnte, dann folgte ihm der Donner auf den Füßen und blendete seine beiden Ohren.
    Er konnte kaum sehen, kaum hören und er flog so schnell, wie er konnte. Das Einzige, was er wusste, war der Unterschied zwischen oben und unten. Für einen Moment glaubte er, er wäre aus der Wolke heraus, aber es war nur eine gespenstische Blase in der Gewitterwolke, wie eine magische Höhle am Himmel.
    Ein furchtbarer Schrei drang durch die Wolke.
    „Marina!“, rief er in panischer Angst. Er war sicher, dass sie es war. „Marina! Wo bist du?“
    Goth stürzte sich auf ihn herab, packte ihn mit einer seiner Klauen, durchlöcherte seinen Flügel an zwei Stellen. Aber der Schmerzensschrei erstarb ihm in der Kehle, als er den glänzenden, blutbedeckten Gegenstand zwischen Goths Zähnen sah.
    Marinas Ring.
    Wütend versuchte er Goths Augen mit seinen Krallen zu erreichen, aber die Kannibalenfledermaus hielt ihn von seinem Körper weg: Er war ein harmloser Knirps.
    „Throbb“, schrie Goth, „wir haben unseren Führer wieder.“ Er schaute Schatten an. „Eine neue Abmachung zwischen uns: Du bringst uns sofort nach Hibernaculum oder ich reiße dir die Eingeweide raus.“
    Goth rollte plötzlich auf den Rücken, als Marinas glänzender Körper ihn rammte.
    „Los!“, schrie sie Schatten zu.
    Er wand sich aus Goths Griff heraus und raste zu ihr. Ihr Unterarm blutete heftig. Aber bevor sie in das Wolkenmeer eintauchen konnten, kam Throbb von der Seite heran und versperrte ihnen den Fluchtweg. Schatten bog mit Marina ab und zurück. Sie flatterten wild auf der Stelle, als Goth und Throbb sich von beiden Seiten mit ausgebreiteten Flügeln näherten, um sie zu fangen.
    Wieder kribbelte die Luft und Schattens Fellhaare standen ihm weit vom Körper ab. Der metallische Geruch war diesmal fast überwältigend und er schien von Goth und Throbb zu kommen. Seine Augen fielen auf die Metallringe, die sie wie Girlanden am Körper trugen. Aus der schwarzen Wolke über ihnen kam ein haardünnes Lichtfädchen herab und berührte leicht einen der Ringe um Throbbs Unterarm. Das Licht sprang spielerisch von einer Seite zur anderen.
    „Weg hier!“, schrie Schatten Marina zu und schloss fest die Augen.
    Der Blitz schlug in Form einer Gabel zu. Schatten beobachtete mit dem Klang-Sehen, wie Throbb sich im Bruchteil einer Sekunde in Asche verwandelte. Goth schien auf das Doppelte seiner normalen Größe anzuschwellen, als ihn der Blitzstrahl traf, sein ganzes Fell sprang ihm vom Körper, die Flügel dehnten und dehnten sich starr zur Seite. Und der Geruch! Der fürchterlichste Geruch von verbranntem Fell und Fleisch.
    Dann fiel Goth, taumelte leblos hinab mit brennenden Flügeln. Er wurde auf eine Seite geweht und von der stürmischen Dunkelheit der Gewitterwolke verschlungen.
    „Der Blitz … es müssen die Metallringe gewesen sein! Er hat erst die Ringe getroffen!“
    „Ich hab’s gesehen“, keuchte Marina. „Ein Glück, dass Goth meinen hatte.“
    Besorgt betrachtete er ihren blutigen Unterarm.
    „Er ist in Ordnung, er ist nicht gebrochen“, sagte sie.
    Zusammen segelten sie langsam durch die Wolken nach unten. Schatten zuckte, als die Luft schmerzhaft durch die Risse pfiff, die Goth in seinem Flügel hinterlassen hatte. Sie waren frei! Sie stießen durch die Unterseite der Gewitterwolke und wieder ins Freie.
    Am Boden sammelte Schatten ein paar trockene Blätter, um sie auf Marinas Wunde zu pressen.
    „Ich denke, die Blutung ist gestillt“, sagte er nach ein paar Minuten. „Ich könnte losfliegen und nach dieser Beere suchen, die Zephir benutzt hat.“
    „Aber was ist mit dir?“, fragte sie und starrte auf seine Flügel. An zwei Stellen hing die Haut schlaff herab.
    „Ist schon in Ordnung, ich kann noch fliegen.“
    „Dann kann ich’s auch“, sagte sie entschlossen und schüttelte die Blätter ab. „Lass uns zu Ende bringen, was wir angefangen haben.“
    Goths Körper lag über die Äste ausgebreitet, angekohlt und zerfetzt. Von seinem verbrannten Fell wehte Rauch herüber.
    Eine neugierige Elster kam trotz des furchtbaren Gestanks näher gehüpft. Der Vogel war sich nicht einmal sicher, was für eine Art Tier das war, so versengt waren Flügel und Körper. Was immer es war, es war offenbar tot. Die Elster überlegte, was passiert war. Vielleicht ein Zusammenstoß mit einem dieser Kabel, die die Menschen durch die Landschaft gezogen hatten. Es
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