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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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nicht!“
    Er schlug mit den Flügeln, gewann an Höhe, kam dem Insekt wieder näher. Doch plötzlich flitzte eine andere Fledermaus vor ihm vorbei und schnappte den Bärenspinner mit der Schnauze.
    „He!“, schrie Schatten. „Das war meiner!“
    „Hättest ihn ja fangen können“, erwiderte die andere Fledermaus, und sofort erkannte Schatten die Stimme: Chinook. Einer von den anderen Jungen in der Kolonie.
    „Ich hatte ihn ja schon“, hakte Schatten nach.
    „Glaub ich nicht.“ Chinook kaute angestrengt und ließ die Insektenflügel zwischen den Zähnen herausfallen. „Dieser schmeckt übrigens fantastisch.“ Er machte übertriebene Schmatzgeräusche. „Vielleicht hast du ja eines Nachts auch mal Glück, Knirps.“
    Schatten hörte Gelächter und sah, dass er ein Publikum hatte, andere Jungtiere, die zu einem Ruheplatz auf einem Ast in der Nähe flatterten. Das ist ja prima, dachte er, alle werden die nächsten beiden Nächte darüber reden.
    Chinook breitete seine eindrucksvollen Flügel aus und machte eine elegante Landung. Mit den beiden Fußkrallen hielt er sich an dem Ast fest und baumelte mit dem Kopf nach unten. Schatten beobachtete ihn mit einer Mischung aus Neid und Wut, während die anderen zur Seite rückten, um Platz zu machen. Jarod war da, der sich nie mehr als eine Flügelspanne von Chinook entfernte. Er würde sogar während eines Gewitters über den Bäumen fliegen, wenn dieser ihn dazu aufforderte. Und da waren auch Yara und Osric und Penumbra. Sie waren immer zusammen. Schatten hatte keine Lust, sich zu ihnen zu gesellen, aber jetzt wegzufliegen hätte noch mehr wie eine Niederlage gewirkt. Er ließ sich also auf dem Ast nieder, ein kleines Stückchen von den anderen entfernt. Sein rechter Unterarm schmerzte von dem Salto mitten in der Luft.
    Knirps. Er hasste diese Bezeichnung, obwohl er wusste, dass sie zutraf. Im Vergleich zu Chinook und einigen anderen Jungtieren war er klein, sehr klein sogar. Er war früh zur Welt gekommen. Mami war sich nicht einmal sicher gewesen, dass er überleben würde, hatte sie ihm später erzählt. Als Neugeborenes war er winzig gewesen und hatte kein Fell gehabt, seine Haut war schlaff und er selbst so schwach gewesen, dass er sich kaum im Pelz der Mutter festklammern konnte. Sie hatte ihn überallhin getragen, sogar wenn sie auf die Jagd ging. Immer wenn Schattens schwache Krallen nachzugeben drohten, hatte sie ihn vorsichtig mit den eigenen festgehalten.
    Durch ihre Milch war er allmählich kräftiger geworden. Nach ein paar Wochen konnte er sogar etwas von den vorgekauten Käfern essen, die sie fing. Sein Fell begann zu wachsen, wurde glänzend und schwarz. Er nahm zu, nicht viel, aber genug. Und alle in der Kinderkolonie waren überrascht, als er zum ersten Mal in die Höhe sprang und sich mit wirbelnden Flügeln tatsächlich ein paar Sekunden lang in der Luft hielt, bevor er unbeholfen und unrühmlich auf dem Kinn landete. Er würde also doch am Leben bleiben.
    Aber alle anderen in der Kinderkolonie, sogar die Mädchen, entwickelten sich schneller als er, bekamen einen breiteren Brustkorb, längere Flügel und kräftigere Arme, um sie zu bewegen. Chinook galt als das viel versprechendste Junge, als geschickter Flieger und Jäger. Schatten hätte alles dafür gegeben, einen Körper wie Chinook zu haben. Mit Sicherheit wollte er aber nicht sein Gehirn, denn das war so springlebendig und so tauglich wie ein Kieselstein.
    „Chinook, das war ja unglaublich“, sagte Jarod begeistert. „Wie du einfach auf die Motte herabgestürzt bist – fantastisch!“
    „Das war schon die zweite heute Nacht.“
    „Die zweite?“, sagte Jarod. „Nicht möglich! Du hast zwei geschnappt heute Nacht? Das ist ja …“ Seine Bewunderung schien grenzenlos. „Unglaublich!“
    Schatten knirschte mit den Zähnen, während die anderen zustimmend murmelten.
    Chinook schniefte verächtlich. „Ich hätte noch mehr gefangen, wenn es hier mehr zu jagen gäbe. So wie im Süden. Ich kann’s kaum erwarten, dorthin zu kommen.“
    „Ja, klar“, stimmte Jarod zu und nickte heftig. „Natürlich ist’s im Süden besser. Erstaunlich, dass man hier oben überhaupt noch etwas zu essen bekommt. Ich kann’s auch kaum erwarten, dorthin zu fliegen.“
    „Meine Mutter sagt, wir brechen in drei Nächten auf“, fuhr Chinook fort. „Und kommen wir erst nach Hiba-, Hiber- …“
    „Hibernaculum“, murmelte Schatten.
    „Genau“, sagte Chinook ohne ihn anzublicken. Es war, als ob
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