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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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Dämmerung nicht gehört?“, und „Wie seid ihr der Eule entwischt?“
    Ariel beachtete die anderen nicht, sondern wandte sich an Schatten und fragte eindringlich:
    „Bist du verletzt?“
    „Ich glaube nicht …“
    Vorsorglich untersuchte sie seine Flügel und den Schwanz, tastete grob mit der Nase seine Rippen und den Bauch ab, um sicher zu gehen, dass nichts gebrochen, nichts verletzt war. Dann faltete sie ihre Flügel um ihn herum und hielt ihn eine lange Zeit fest umschlungen. Er merkte, dass sie zitterte. Als sie schließlich von ihm abrückte, funkelten ihre Augen vor Wut.
    „Warum hast du das getan?“
    Schatten wandte den Blick ab. Er spürte die Nähe der anderen Fledermäuse. Das Fell brannte ihm im Gesicht. Er sprach ruhig: „Chinook war … er hat Dinge über Eulen gesagt und wie sein Vater mit einer gekämpft hat, und ich wollte nur irgendetwas tun, was …“ Er wollte sagen „was mutig ist“, aber sie unterbrach ihn.
    „Kindisch war das und gefährlich.“ Sie gab sich keine Mühe leiser zu sprechen. „Du hättest getötet werden können, einfach so.“ Mit der Flügelspitze machte sie ein scharfes schnappendes Geräusch. „Und Chinook genauso.“
    „Woher weißt du von Chinook?“
    „Ich habe ihn getroffen, als ich dich gesucht habe.“
    „Er hat also gepetzt“, sagte Schatten verächtlich.
    „Zu deinem Glück.“ Sie starrte ihn an. „Wegen so einer Torheit ist dein Vater ums Leben gekommen.“
    Schatten konnte eine Weile nicht sprechen. „Er wollte die Sonne sehen?“, fragte er eindringlich.
    Sie hatte ihm das nie erzählt. Das Einzige, was er über den Tod seines Vaters wusste, war, dass er im vergangenen Frühjahr eines Nachts draußen gewesen war, zu weit weg vom Rastplatz und zu spät, und dass ihn eine Eule in der Morgendämmerung gejagt und getötet hatte. Sein Vater hatte Cassiel geheißen.
    Ariel nickte. Plötzlich war sie müde. „Ja. Er hat immer davon geredet. Weil er neugierig war – nein, weil er dickköpfig war, weil er nicht vernünftig sein wollte.“ Ihr ganzer Ärger flammte wieder auf. „Das wird dir nicht passieren. Ich will nicht in einem Jahr meinen Mann und meinen Sohn verlieren. Ich lasse das nicht zu.“
    „Warum hast du mir das nie erzählt?“ Er nahm ihr das plötzlich übel.
    „Ich wollte dich nicht auf dumme Gedanken bringen. Du hast so schon genug davon.“ Sie seufzte und ihre Augen verloren ihre Wildheit. „Geht es dir wirklich gut?“
    „Warum wollte er die Sonne sehen?“
    „Versprich, dass du das nie wieder tust.“
    „Hast du meinen Vater das versprechen lassen?“
    „Versprichst du’s mir?“
    „Es ist nicht richtig“, sagte Schatten stirnrunzelnd. „Ich meine, dass die Eulen uns nicht die Sonne sehen lassen. Findest du das fair, Mami?“
    Sie seufzte verzweifelt und schloss für einen Augenblick die Augen. „Es hat nichts mit fair oder richtig oder falsch zu tun. So sind die Dinge nun mal …“ Ärgerlich brach sie ab. „Ich will nicht mit dir darüber diskutieren. Du tust, was ich dir sage, so einfach ist das. Du hast keine Ahnung, in was für Schwierigkeiten du uns alle gebracht hast.“
    „Aber wieso denn, wir sind doch entkommen, wir haben …“
    Er brachte den Satz nicht zu Ende. Merkur, der Bote der Ältesten in der Kolonie, kam in einer langsamen Spirale im Stamm zu ihnen herunter.
    „Geht’s euch beiden gut?“, fragte er, als er sich anmutig neben ihnen niedergelassen hatte.
    „Ja.“
    „Die Ältesten möchten euch gerne sprechen. Seid ihr kräftig genug, nach oben zu kommen, oder soll ich sie bitten, zu euch herunterzukommen?“
    „Nein, ich kann kommen. Bleib hier“, sagte Ariel zu Schatten.
    „Sie möchten, dass du deinen Sohn mitbringst.“
    Schatten und seine Mutter tauschten einen schnellen Blick. Er hatte schon früher Ärger bekommen, oft sogar. Aber dies war das erste Mal, dass er vor die Ältesten zitiert wurde. Merkur schwang sich wieder in die Luft, und Schatten flog hinter Ariel her im Baumstamm hoch. Während er höher stieg, fühlte er die Blicke von hunderten von Fledermäusen. Er war befangen, aber auf angenehme Weise erregt. Normalerweise gönnte ihm niemand auch nur einen zweiten Blick. Nun war er wichtig genug, um vor die Ältesten gerufen zu werden. Stolz ließ er seine Augen über die neugierigen Gesichter der ruhenden Zuschauer schweifen. Da war auch Chinook neben seiner Mutter, aber er schaute weg, bevor Schatten ihn triumphierend angrinsen konnte.
    „Du hast keinerlei Anlass zu
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