Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Autoren: Jon Osborne
Vom Netzwerk:
Mädchenschule in ganz Queens noch zum erfolgversprechendsten Mädchen gewählt worden. Das war vor ihrer Schwangerschaft gewesen. Wenn die mich jetzt sehen könnten.
    Ihr Herz zog sich in der Brust zusammen, als sie sehnsüchtig an ihre Kinder dachte. Mit hängendem Kopf entfernte sie sich von dem Laden. Dabei studierte sie die Risse im Bürgersteig und gab sich größte Mühe, jeglichem Blickkontakt mit anderen Menschen auszuweichen, die ihr auf der geschäftigen Straße Welle um Welle entgegenbrandeten. Zwei Blocks weiter riss sie die gestohlene Packung Kondome auf, nahm einen der kleinen quadratischen Beutel heraus und steckte ihn ein. Die restliche Schachtel schenkte sie einem Obdachlosen, der zusammengekauert und vor Kälte heftig zitternd unter einer muffigen Decke kauerte. Genau, wie es ihr der Fremde am Telefon aufgetragen hatte, obwohl Gott allein wusste, welchen Sinn das haben sollte.
    Der Obdachlose hob den Blick und starrte sie für einen Moment an.
    Dann grinste er und entblößte dabei zwei Reihen perfekter weißer Zähne.
    »Gut gemacht, Stephanie«, sagte er und hustete. »Und jetzt mach, dass du nach Hause kommst, so schnell du kannst. Deine Kinder haben nicht mehr viel Zeit.«
    Stephanie starrte entsetzt auf den Obdachlosen hinunter. Sie war nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. »Wa…was haben Sie gesagt?«
    Der Mann streckte eine Hand unter der zerlumpten Decke hervor und winkte sie energisch weg. Über seinen linken Arm kroch ein dickes schwarzes Insekt. An seinem Handgelenk glitzerte eine wunderschöne goldene Rolex, an seinem kleinen Finger funkelte ein kunstvoller Diamantring. »Geh jetzt!«, drängte er. »Du hast nicht mehr viel Zeit! Sie sind bald tot! Das Monster hat gesagt, dass es sie umbringt!«
    Dann kicherte er gackernd – ein grässliches, misstönendes Geräusch.
    Für einen Moment kämpfte Stephanie gegen eine Ohnmacht an. Ihr Blick verengte sich zu einem Tunnel, doch dann wurde er wieder klar. Offensichtlich war dieser Obdachlose ein Teil des sadistischen Spiels, das man ihr aufgezwungen hatte – aber war es derselbe Mann, der sie am Morgen angerufen hatte? Der Mann, der gedroht hatte, ihren Kindern wehzutun? Sie umzubringen ?
    Der Regen wurde stärker, dann öffneten sich die Schleusen vollständig, und Stephanie wurde völlig durchnässt. »Aber ich habe doch kein Geld!«, krächzte Stephanie mit zittriger Stimme. Sie spürte, wie der Regen auf ihr Gesicht prasselte und durch ihren fadenscheinigen Mantel drang, und sie hob die Stimme in dem verzweifelten Bemühen, das laute Rauschen zu übertönen. »Wie viel Zeit habe ich noch? Ich wohne dreißig Blocks von hier entfernt! Wie soll ich denn dorthin kommen?«
    Ein verärgerter Blick huschte über das Gesicht des Mannes, als ein greller Blitz den Nachthimmel über ihnen zerriss und den Geruch von Ozon zurückließ. Keine zwei Sekunden später rollte ein ohrenbetäubender Donnerhall über die Stadt hinweg und ließ die Gebäude bis in ihre Fundamente erzittern. Das Gewitter war ganz nah – fast direkt über ihnen.
    »Du hast ein Kondom in der Tasche!«, brüllte der Mann. »Freitagabends arbeiten zehntausend Taxifahrer in dieser Stadt! Ich bin sicher, du kannst dir den Rest zusammenreimen. Benutz die einzige Währung, die du besitzt!«
    Stephanie wandte sich ab und rannte zur Straße. Keine Zeit mehr für weiteres Reden. Ihre Kinder brauchten sie. Und diesmal würde sie für sie da sein.
    Sekunden später erreichte sie den Straßenrand und verrenkte sich am regennassen Bordstein schmerzhaft den Knöchel. Stechender Schmerz zuckte durch ihr Bein nach oben, doch sie ignorierte ihn. Sie durfte nicht mehr an sich selbst denken. Sie musste an ihre Kinder denken, nur das zählte jetzt noch.
    Stephanie stolperte weiter über die vom Regen geflutete Straße und schaute auf, als das laute Dröhnen eines Motors viel zu schnell auf sie zuhielt. Ein Taxi bremste unter wütendem Hupen und überfuhr sie beinah. Es kam nur wenige Zentimeter vor ihr schlingernd zum Stehen.
    Stephanie schlug das Herz bis zum Hals, als sie instinktiv die Hände ausstreckte und abwehrend auf die Motorhaube des Taxis legte, als könnte sie das riesige gelbe Monstrum auf diese Weise zum Stehen bringen. Sie stolperte einen Meter rückwärts, und die Gummisohlen ihrer Tennisschuhe rutschten unkontrolliert über den glatten Asphalt. Die Wärme des Motors stieg in ihre Hände und brachte sie zurück in eine Wirklichkeit, mit der sie nichts mehr zu tun haben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher