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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Autoren: Jon Osborne
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wollte.
    Die Scheibenwischer des Taxis liefen auf höchster Stufe, der kleine Elektromotor surrte gequält, während er gegen die Regenmassen auf der Windschutzscheibe ankämpfte. Durch die hektischen Wischer hindurch wechselte sie Blicke mit dem wütenden Fahrer. Es war ein Schwarzer. Nach der bunten Mütze auf seinem Kopf zu urteilen wahrscheinlich aus Tansania oder dem Tschad oder Nigeria. Kein amerikanischer Schwarzer.
    Der Fahrer ließ die Seitenscheibe herunter und steckte den Kopf aus dem Wagen. Seine blutunterlaufenen Augen quollen wütend aus den Höhlen. Die blaue Schlagader an der Seite seines Halses pulsierte wie wild und zeichnete sich deutlich unter der braunen Haut ab. »Zum Teufel noch mal, Lady!«, rief er außer sich vor Zorn. »Passen Sie gefälligst auf, wo Sie hinlaufen! Ich hätte Sie beinah überfahren! Machen Sie verdammt noch mal, dass Sie von der Straße kommen!«
    Afrikanischer Akzent. Definitiv kein Amerikaner.
    Stephanie eilte um den Wagen herum zu seinem Fenster. Die Muskeln ihrer Oberschenkel zitterten genauso schlimm wie ihre Stimmbänder, kaum imstande, ihr eigenes Gewicht zu tragen, während sie sich verzweifelt bemühte, verständliche Worte von sich zu geben. Tränen rannen ihr über die Wangen und vermischten sich mit dem strömenden Regen. »Bitte, Sir«, krächzte sie. »Ich brauche Ihre Hilfe. Das Leben meiner Kinder hängt davon ab.«
    Der wütende Ausdruck auf dem Gesicht des Fahrers schmolz dahin und wich nach und nach einem besorgten Stirnrunzeln. Zum ersten Mal seit Monaten empfand Stephanie einen kleinen Hoffnungsschimmer. Vielleicht war dieser Fahrer nicht so herzlos, wie sie zuerst geglaubt hatte. Vielleicht würde er ihr am Ende ja doch helfen. Vielleicht war er einer der wenigen guten Menschen in einer Welt, in der es vor schlechten Menschen wimmelte. Schlechten Menschen wie dem, der sich am Morgen telefonisch bei ihr gemeldet hatte. »Was brauchen Sie denn?«, fragte der Schwarze.
    Stephanie nannte ihm die Adresse des heruntergekommenen Apartmenthauses. Es fiel ihr schwer, zusammenhängend zu reden. »Ich muss so schnell wie möglich dorthin«, flehte sie. »Aber ich habe kein Geld, um die Fahrt zu bezahlen.«
    Der Fahrer schüttelte den Kopf, und die Scheibe begann, nach oben zu gleiten. Mitfühlend oder nicht, er unterhielt keine Wohlfahrtseinrichtung. Und zweifellos hatte er diese Geschichte schon unzählige Male gehört. Bei einer Arbeit wie dieser war das wohl nicht anders zu erwarten. »Nichts da«, sagte er. »Tut mir leid, Lady, aber ich habe wirklich keine Zeit für diesen Scheiß. Machen Sie, dass Sie von meinem Wagen wegkommen, okay? Niemand hat je Geld. Jeder will alles umsonst. Warum arbeitet in diesem Land bloß niemand?«
    Stephanie kramte in ihrer Tasche und brachte das Kondom zum Vorschein. So ekelhaft die Erkenntnis sein mochte, in diesem Moment begriff sie genau , wofür der Gummi gedacht war. Der Mann am Telefon hatte die Dinge offensichtlich bis ins kleinste Detail geplant. Das Kondom stellte ihre Bezahlung für das Taxi dar.
    »Ich besorge es Ihnen unterwegs«, bot Stephanie an, und die Worte brannten wie Säure auf ihrer Zunge. Frische Scham erhitzte ihr Gesicht von Neuem. Tiefer kann ein Mensch kaum sinken . »Bitte, Sir, ich schwöre bei Gott, Sie sind meine einzige Hoffnung.«
    Der Fahrer sah nach links und dann nach rechts. Scheinwerfer des übrigen Verkehrs schnitten durch die regenverhangene Nacht wie gelblich leuchtende Augen metallischer Dämonen, die geradewegs aus der Hölle entsprungen waren, um Stephanie zu jagen, zur Strecke zu bringen und ihre unsterbliche Seele einzufangen. Die Bürgersteige lagen größtenteils verlassen da, nur noch wenige Fußgänger waren unterwegs und suchten Schutz vor dem unablässigen Regen, der immer noch mit ohrenbetäubendem Stakkato auf das Betonmeer ringsum einhämmerte. Stephanie blinzelte angesichts der surrealen Bilder angestrengt. Der Regen schien beinah zu tanzen, als freue er sich darüber, sie am Tiefpunkt ihres Lebens zu sehen.
    Dann entriegelte der Fahrer die Türen. »Los, steigen Sie ein«, sagte er.
    Der Fahrer ließ sie nicht aussteigen, bevor sie mit ihm fertig war. Stephanie würgte angesichts des chemischen Geschmacks des Kondoms in ihrem Mund und spürte, wie er sich endlich versteifte. Als er fertig abgespritzt hatte, stieß er sie grob von sich. »Los jetzt, raus mit dir!«, herrschte er sie an. »Verdammte Hure! Ich muss arbeiten.«
    Stephanie kletterte aus dem Wagen und rannte
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