Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Titel: Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)
Autoren: Viola Di Grado
Vom Netzwerk:
anfallen und dich fragen, ob du die Christian Union kennst.
    Ich ging hinein. Die Tussi im Sekretariat mit ihrem hübschen Näschen, den bis zur Unsichtbarkeit gezupften Augenbrauen und den Sommersprossen dürfte nicht älter als vierzehn gewesen sein. Ich schwöre, dass ich versucht habe, ihr das laut zu sagen. Aber der Satz kam nur als Blick heraus.
    Das Mädchen betrachtete die komplexe Syntax meiner Augen, die zuerst hochblickten und sich dann ganz weich in den ihren versenkten.
    Sie fragte: » Can I help you?«
    Ich machte meinen Blick deutlicher.
    Sie fragte: » Are you okay?«
    Ich betonte die letzte Silbe, die von dem unmündigen Mädchen, das enttäuscht auf meine Hände schaut.
    Sie sagte: » I’m sorry, but …« und rief dabei vielleicht den Sicherheitsdienst oder ihren Papa.
    Ich schrieb auf meine Hand: Ich möchte mich exmatrikulieren.
    Sie schrieb auf einen Zettel: Bist du stumm?
    Und ich: Mehr oder weniger, aber du kannst ruhig reden.
    Nachdem wir das Spielchen noch ein bisschen weiter getrieben hatten, trat ich in den geräumigen Eingang des Parkinson. Überall waren Leute, die in aufrechter Haltung hin und her gingen, dabei aber Klamotten trugen, welche die standfesten Instrumente studentischen Beischlafs verbargen.
    Ich versuchte ihnen mit allen Mitteln aus dem Weg zu gehen. Am Schwarzen Brett schaute ich, ob es irgendwelche Jobs gab, fand jedoch höchstens Ankündigungen des Typs: »Suchen für Gruppenarbeit teamfähige und kommunikative Teilnehmerin.« Oder auch: »Muttersprachlerin Englisch für Umfrage gesucht.« Kurz bevor ich ging, bemerkte ich einen kleineren Zettel, auf dem stand: »Übersetzer Italienisch-Englisch gesucht«, und dachte, dass es ja vielleicht doch zu etwas nutze war, Italienerin zu sein. Seit ich im Alter von sieben Jahren in dieses eisige englische Universum gezogen war, hatte mir meine italienische Herkunft höchstens gelegentliche Fragen nach den verschiedenen Nudelsorten eingebracht.
    Auf dem Zettel wurde jemand gesucht, der die Gebrauchsanweisungen des Waschmaschinenherstellers Gagliardi ins Englische übersetzte.
    Ich wählte die Nummer und wappnete mich dafür, endgültig mein Schweigen zu brechen, auch wenn ich eigentlich nicht die geringste Lust hatte. Dabei gehört nicht viel dazu: einatmen und es dann zulassen, dass die Wörter den Weg vom Gehirn bis zu den Stimmbändern schaffen. Nur eine kleine Vibration, mehr nicht.
    Eins, zwei drei. Tatsächlich, eine Stimme.
    »Guten Tag, mein Name ist Camelia Mega, und ich …«
    »Hier spricht die Firma Gagliardi. Wenn Sie an der Übersetzungstätigkeit interessiert sind, stellen Sie sich bitte von Montag bis Freitag von 9 bis 12 in der Whitehall Road 6 vor. Vielen Dank.«
    Ich hielt einen Jungen auf der Straße an. »Entschuldigung, wie viel Uhr ist es?«
    »Sorry?«
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Sorrrryyy?«
    »Ach, halt die Klappe.«
    Ich hielt noch einen an und stellte ihm die gleiche Frage. Er schaute mich erschrocken an und kratzte die Kurve. Mich verstand einfach keiner.
    Als ich aus dem Parkinson Building kam, kotzte ich auf ein rosa Flugblatt des Supercool Studentenclubs.
    »Wir lernen neue Leute kennen und haben Spaß!«
    Genau das stand da.
    In meiner Kotze war deutlich das »Wie viel« aus meiner Frage zu erkennen, nein, da war auch noch der Anfang des Wortes »Uhr«, und wenn man sich auf die grünen Klümpchen konzentrierte, sah man sehr gut den ganzen Satz: »Wie viel Uhr ist es?«
    Ich kotzte noch mal, und diesmal begrub mein »Halt die Klappe« das »Spaß« des Flugblatts komplett unter sich.
    Ich kam zu dem grauen Gebäude der Firma Gagliardi. Der Computerausdruck, der an der Treppe hing, zeigte einen Pfeil und den Hinweis: »Gagliardi dritter Stock.«
    Zwei Männer mit viel Gewicht und wenig Haaren, über deren Köpfen sich ein Ventilator drehte, saßen vor einem Kalender mit nervigen Naturbildern, der an der abgeblätterten Wand hing.
    »Also, wie heißt du, Liebes?«
    »Camelia Mega.«
    »Dann bist du Italienerin. Gut, hier, nimm.«
    Ich drehte den Stapel Blätter um, den er mir gereicht hatte, und blätterte darin.
    »Sicherheitsmaßnahmen:
    Während des Waschvorgangs kann sich das Bullauge erhitzen.
    Das Bullauge auf keinen Fall gewaltsam öffnen.
    Achten Sie darauf, dass Kinder sich nicht dem Bullauge nähern.«
    »Na gut, und wann soll ich das abgeben?«
    »Bitte?«
    »Wann soll ich das abgeben?«
    »Entschuldigung, was hast du gesagt?«
    »Wann ich das abgeben soll? Verdammt noch mal!«
    »Ach,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher