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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Autoren: Susan Cooper
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1. Kapitel
    »Wo ist er?«
    Barney hüpfte von einem Fuß auf den andern, während er aus dem Zug kletterte und in die weißgesichtige Menge spähte, die auf die Sperre der Station St. Austell zueilte.
    »Oh, ich kann ihn nicht sehen! Ist er da?«
    »Natürlich ist er da«, sagte Simon und versuchte, das lange Segeltuchbündel in den Griff zu bekommen, in dem sich die Angelruten seines Vaters befanden. »Er hat gesagt, er würde uns abholen. Mit einem Auto.« Hinter ihnen tutete die Lokomotive wie eine Rieseneule und der Zug setzte sich in Bewegung.
    »Bleibt einen Augenblick hier«, sagte der Vater, der hinter einem ganzen Wall von Koffern stand. »Merry wird sich schon nicht in Luft auflösen. Wartet, bis die Leute weg sind.«
    Jane zog begeistert die Luft ein. »Ich kann die See riechen.«
    »Wir sind noch meilenweit von der See entfernt«, sagte Simon mit überlegener Miene.
    »Das ist mir ganz gleich. Ich kann sie aber riechen.«
    »Großonkel Merry hat gesagt, dass Trewissick fünf Meilen von St. Austell entfernt ist.«
    »Oh, wo bleibt er nur?« Barney zappelte immer noch ungeduldig auf dem staubigen grauen Bahnsteig herum und starrte auf die sich entfernenden Reisenden, die ihm den Blick verstellten. Plötzlich blieb er stehen und sah nach unten. »He — schaut mal.«
    Sie schauten. Im Strom der sich eilig bewegenden Beine stand ein großer schwarzer Koffer.
    »Was ist denn da so toll dran?«, fragte Jane.
    Dann sahen sie, dass der Koffer zwei braune Ohren hatte und einen langen, wedelnden braunen Schwanz.
    Der Eigentümer hob den Koffer auf und ging davon, und der Hund, der dahinter gestanden hatte, blieb zurück und schaute den Bahnsteig hinauf und hinunter. Es war ein großer, langgliedriger, magerer Hund; wo das Sonnenlicht sein Fell traf, glühte es dunkelrot.
    Barney pfiff und streckte die Hand aus.
    »Lass das, Kind«, sagte seine Mutter in klagendem Ton und fasste nach dem Bündel von Malpinseln, die ihr wie ein Bund Sellerie aus der Tasche ragten.
    Aber noch bevor Barney gepfiffen hatte, setzte sich der Hund in einem schnellen und entschlossenen Trott auf sie zu in Bewegung, so als habe er alte Freunde erkannt. Er umkreiste sie mit großen, weichen Schritten, hob einem nach dem andern seine lange rote Schnauze entgegen, blieb dann neben Jane stehen und leckte ihr die Hand.
    »Ist der nicht wunderbar?« Jane hockte sich neben dem Hund hin und kraulte das lange seidige Fell in seinem Nacken. »Herzchen, sei vorsichtig«, sagte die Mutter. »Er wird sein Herrchen verlieren. Er muss doch jemandem hier gehören.«
    »Schade, dass er nicht uns gehört.«
    »Das findet er auch«, sagte Barney, »schaut mal.«
    Er streichelte den roten Kopf und der Hund gab einen kehligen Laut des Vergnügens von sich.
    »Nein«, sagte der Vater.
    Die Menge hatte sich jetzt fast zerstreut und hinter der Schranke konnten sie den klaren blauen Himmel über dem Bahnhofsvorplatz sehen.
    »Sein Name steht auf dem Halsband«, sagte Jane, die immer noch neben dem Hund hockte. Sie fingerte an dem silbernen Schildchen auf dem schweren Lederriemen herum. »Da steht Rufus. Und noch etwas ... Trewissick. He — er kommt aus dem Dorf!«
    Aber als sie aufsah, merkte sie plötzlich, dass die andern nicht mehr da waren. Sie sprang auf und lief hinter ihnen her in den Sonnenschein. Jetzt sah sie, was auch die andern gesehen hatten: die hohe, vertraute Gestalt von Großonkel Merry, der draußen auf sie wartete.
    Die Kinder umringten ihn, plapperten wie Eichhörnchen, die um den Fuß eines Baumes huschen. »Ah, da seid ihr ja«, sagte er wie nebenbei und blickte unter seinen buschigen weißen Augenbrauen mit einem leichten Lächeln auf sie herunter.
    »Cornwall ist herrlich«, sprudelte Barney heraus.
    »Du hast es ja noch gar nicht gesehen«, sagte Großonkel Merry. »Wie geht es dir, meine liebe Elly?« Er beugte sich herunter und küsste die Mutter kurz auf die Wange. Er behandelte sie immer so, als hätte er vergessen, dass sie inzwischen erwachsen war. Obgleich er nicht ihr richtiger Onkel war, sondern nur ein Freund ihres Vaters, war er der Familie schon so viele Jahre eng verbunden, dass es ihnen nie einfiel, darüber nachzudenken, woher er eigentlich gekommen war.
    Keiner wusste viel über Großonkel Merry, aber niemand hatte so recht den Mut, Fragen zu stellen. Er sah auch gar nicht so aus wie sein Name (merry bedeutet im Englischen: lustig, fröhlich). — Er war groß und aufrecht, hatte dichtes, wildes weißes Haar. Aus seinem
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