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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön
Autoren: Judith Winter
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verstörend irreal. Hilflos sah sie zu, wie Norén die Schülerin von der Seite ansprach und ihr sanft, beinahe liebevoll einen Arm um die Schultern legte. Sie ließ es geschehen. Em sah ihr Nicken.Den Koffer, der auf dem staubigen Boden zurückblieb, als Norén das hinkende Mädchen mit sich fort führte. Zu einem der Ausgänge, über dem ein knallrotes Schild für Coca-Cola warb.
    Er hat eine Geisel, hämmerte es hinter Ems Stirn. Er entkommt uns. Wir haben einen gottverdammten Fehler gemacht …
    Die Menge johlte.
    Neben ihr war Zhou bereits auf den Beinen. »Versuchen wir’s außenrum«, rief sie ihrer Partnerin zu, während sich auf der anderen Seite der Halle Decker und Bost durch die Menge der ahnungslosen Mädchen pflügten und hinter Norén herspurteten. »Falls es ihm gelingt, das Gebäude zu verlassen, muss er sie irgendwie von hier wegbringen.«
    »Okay, dann los!«
    Ems Fuß verfing sich in einem vergessenen Rucksack, doch irgendwie gelang es ihr, auf den Beinen zu bleiben. Vor ihr nahm Zhou bereits die Stufen zum Ausgang. Sie bewegte sich mit graziler Leichtigkeit, und als sich ihr zwei dicke Mädchen in den Weg drängten, schob sie sie einfach zur Seite.
    »Hey!«, schimpfte die eine. »Hast du ’n Schuss, oder was?«
    Doch da hatte sie bereits Ems Hand an der Schulter. »Halt die Klappe und mach Platz!«
    Ihr Protest blieb hinter Em zurück. Im Rennen piepste ihr Handy. »Wir haben das Mädchen gefunden«, meldete Decker atemlos, während Zhou vor ihr die Tür nach draußen aufstieß.
    »Und?«
    »Er hat ihr mit einer Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Sie atmet, aber ich fürchte, es hat sie ziemlich schlimm erwischt.«
    »Dieser elende Mistkerl«, fluchte Em, während die eisige Luft vor der Halle ihre Lungen mit tausend Nadelstichen attackierte. Dazu schneite es noch immer. Aber viel blieb nicht liegen.
    Über das Geräusch ihres eigenen Keuchens hinweg hatte Em erhebliche Mühe, ihren Kollegen zu verstehen. »Der Krankenwagen ist angefordert«, klang es entfernt an ihrem Ohr.
    »Und Norén?«
    »Ist weiter flüchtig«, antwortete Decker. »Aber Steven ist ihm auf den Fersen.«
    »Hast du noch Sichtkontakt?«
    »Nein.«
    Verdammt, verdammt, verdammt!
    »Da hinten!« Zhou stoppte abrupt und krallte die Finger in den Ärmel ihrer Partnerin. »Sehen Sie das?«
    In einiger Entfernung entdeckte Em Rücklichter, die langsam Richtung Ausfahrt rollten. Sonst war praktisch nichts los im Augenblick. Das Turnier in vollem Gange. Und die überwiegende Anzahl der Schüler war ohnehin mit Bussen da. »Sie haben recht«, keuchte sie. »Das könnte er sein.«
    »Und falls nicht?«
    »Für falls nicht haben wir keine Zeit«, gab Em zurück und blickte sich suchend um. »Wir brauchen einen Wagen.«
    »Moment!«, rief Zhou und spurtete zu einem VW-Bus, der mit offener Hecktür an der Anlieferung für das Catering stand. »Kriminalpolizei«, rief sie dem verdutzten Lieferanten zu, der gerade mit einer leeren Sackkarre aus dem Gebäude trat. »Wir brauchen Ihren Wagen!«
    »Haben Sie den Verstand verl…«, setzte der Mann an, doch weiter kam er nicht.
    »Die Schlüssel!«, schrie Zhou, indem sie ihm kurzerhand ihre Dienstwaffe unter die Nase hielt.
    »Die … die stecken«, stotterte der Lieferant.
    Doch Zhou nahm sich nicht die Zeit, ihm irgendetwas zu erklären. Sie sprang auf den Fahrersitz und legte den Rückwärtsgang ein.
    »Das sind ja ganz neue Methoden«, stellte Em fest, nachdem sie die Beifahrertür zugeknallt hatte.
    »Wieso?«
    »Na ja, ich zeige den Leuten normalerweise meinen Dienstausweis. Nicht die Waffe.«
    Zhou sah strikt nach vorn. Aber sie lächelte.
    »Er will auf die Autobahn«, konstatierte Em.
    »Dann mal los«, nickte Zhou. Und mit einem kurzen Seitenblick fügte sie hinzu: »Oder wollten Sie fahren?«
    »Ist schon in Ordnung.« Em grinste. »Dieses eine Mal kann ich’s verschmerzen.«
8
    »Steven ist tot«, meldete Decker sich nur Minuten später über Funk, und seine Stimme klang, als habe er eine Scherbe in der Kehle sitzen.
    »Wie bitte?«
    »Steven, verdammt noch mal. Dieser Scheißkerl hat ihn einfach abgeknallt.«
    Em griff sich schützend an die Stirn. Aber es half nicht viel. Sie hatte das Gefühl, dass ihr der Boden unter den Füßen wegsackte. Und auch Zhou neben ihr schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Wie ist das passiert?«
    »Steven war fast an ihm dran. Aber Norén hat ihn in einen Raum neben der Küche gelockt. Und ihm irgendeinen verdammten Pott über den
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