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Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Sieben Siegel 10 - Mondwanderer

Titel: Sieben Siegel 10 - Mondwanderer
Autoren: Kai Meyer
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wirkte. Die Schienenspirale wand sich dreimal um sich selbst, ehe sie am Rand der Karte verschwand.
    Chris blickte zweifelnd auf. »So verlaufen die Schienen im Wald?«

»Genau so«, bestätigte Herr Fleck. »In der Form einer Spirale.«
    »Aber warum bloß?«
    »Weil es nicht anders ging. Die Wälder dort oben sind sehr felsig, und man hätte zahllose Tunnel und Schneisen bauen müssen, um einen kürzeren Weg zur Sternwarte einzurichten. Das Gestein erwies sich als besonders hart und widerspenstig, und nachdem bei einer missglückten Sprengung mehrere Arbeiter ums Leben gekommen waren, gab man das Vorhaben auf. Lieber passte man den Verlauf der Gleise den natürlichen Gegebenheiten an. Sie wurden durch die bestehenden Täler und Schluchten gelegt, und dabei ergab sich diese Form.«
    Lisa schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber eine exakte Spirale? So verlaufen doch keine natürlichen Schluchten!«
    »Diese schon«, erklärte der Archivar achselzuckend. »Es ist, als hätte der liebe Gott sie einst mit einem riesigen Zirkel gezogen – oder wer sonst diese Wälder vor Urzeiten geschaffen hat.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Kyra argwöhnisch.
    »Ihr wisst ja, dass die Gegend rund um Giebelstein schon immer ein wenig … nun ja, ungewöhnlich war. Als die römischen Legionen vor fast zweitausend Jahren hier einmarschiert sind, entdeckten sie, dass in dieser Region eine besonders große Zahl uralter heidnischer Heiligtümer existierte. Die Kelten und später die Germanen schickten junge Mädchen hierher, damit sie zu Hohepriesterinnen ihrer zahlreichen Götter geweiht wurden. Die Wälder sind noch immer voll von den Überresten der einstigen Heiligtümer, von Steinkreisen und Monolithen und Begräbnisstätten. Euer Hügelgrab ist auch ein gutes Beispiel dafür. Die meisten dieser Orte lagen seit jeher in den Wäldern im Norden. Von dem Hügel aus, auf dem später die Sternwarte errichtet wurde, haben schon die keltischen Druiden die Gestirne beobachtet. Die ganze Anlage steht auf antiken Ruinen, viele tausend Jahre alt.«
    »Tempelruinen?«, entfuhr es Lisa.
    Herr Fleck verzog das Gesicht. »Die Kelten bauten keine Tempel für ihre Götter, wie es etwa die Griechen oder Römer taten. Aber sie errichteten Steinkreise wie zum Beispiel Stonehenge in England, oder sie legten heilige Haine an, kleine Wälder, von denen sie annahmen, dass dort die Götter ein und aus gingen. Eine solche Anlage muss auch auf dem Hügel gestanden haben, und Reste davon liegen gewiss immer noch tief unter den Fundamenten der Sternwarte begraben.« Er seufzte leise. »Nach all den Unglücken zu urteilen, die im Laufe der Jahre rund um die Sternwarte geschehen sind, war es offenbar kein freundlicher Gott, der dort verehrt wurde.«
    Chris legte die Stirn in Falten. »Sie denken, irgendwas davon ist … hm, irgendwie übrig geblieben?«
    »Etwas von einem heidnischen Gott?«, fragte Lisa mit großen Augen.
    »Zumindest der Ort, an dem er verehrt wurde«, bestätigte der Archivar.
    »Bestimmt hat man dort auch Menschenopfer gebracht«, mutmaßte Kyra. Lisa schenkte ihr einen strafenden Seitenblick.
    Herr Fleck lächelte. »Die keltischen Druiden haben keine Menschen geopfert, das ist nur ein Gerücht. Es gibt keinerlei Beweise dafür.«
    Kyra ließ nicht locker. »Wenn die Anlage aber schon vor den Kelten existiert hat? Auch von Stonehenge weiß keiner so genau, wann es errichtet wurde – und von wem.«
    Der alte Mann nickte bedächtig. »Theoretisch ist das natürlich möglich. Sicher ist nur, dass der Sternwartenhügel schon in uralter Zeit ein Ort war, von dem die Menschen glaubten, er sei dem Mond und den Sternen besonders nahe. Und natürlich ihren dunklen, grausamen Göttern.«
    Die Erwähnung des Mondes erinnerte Lisa unangenehm an ihre Erlebnisse mit dem Dornenmann. Damals hatte eine Hexe des Arkanums den Mann im Mond heraufbeschworen. Und so harmlos, so kindisch die Vorstellung auch war – er hatte sich als schreckliche Kreatur aus purem Mondschatten in Giebelstein materialisiert und den Freunden eine Hetzjagd auf Leben und Tod geliefert. Erst am Hügelgrab war es ihnen gelungen, ihn zu besiegen, weil von dort aus eine unbegreifliche magische Verbindung zum Mond bestanden hatte. Wie viel stärker musste solch eine Verbindung dann aber erst zwischen dem Mond und dem Hügel in den nördlichen Wäldern sein?
    Lisa atmete tief durch. Ihr kam eine böse Vorahnung. Plötzlich hatte sie eine Gänsehaut.
    »Aber was hat das alles mit unseren
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