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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Autoren: Kai Meyer
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Attacken im Garten der Villa.
    Der wahre Kampf nahm gerade erst seinen Anfang.
    Kyra blickte nicht mehr nach hinten. Sie wusste, was sie dort sehen würde, wusste auch, dass das Grauen darüber sie lähmen würde. Stattdessen stürmte sie weiter. Rannte, so schnell sie nur konnte, rannte, bis sie glaubte, ihre Beine seien selbstständige Lebewesen, die sie ohne ihr Zutun davontrugen, fort von der Gefahr, schneller, immer schneller in Sicherheit.
    Doch auch das war nur eine Täuschung. Es gab keine Sicherheit – das erkannte sie mit aller Deutlichkeit, als sie im Näherkommen den Schrecken auf den Gesichtern ihrer Freunde sah. Keine Sicherheit, keine Rettung.
    Der Mann im Mond war ihnen wieder auf den Fersen, mörderischer als jemals zuvor.
    Irgendwo in der Ferne ertönte der melodische Gesang der Hexe.
    Kyra starrte ihre Freunde an. Sie standen da wie angewurzelt. Aber welchen Sinn hatte es, wenn sie warteten, bis Kyra sie erreichte?
    »Nun lauft schon!«, brüllte Kyra erneut. »Verdammt noch mal, lauft endlich! «
    Die drei erwachten wie aus einem Traum, Schlafwandler, die man auf dem höchsten Dachgiebel aus ihrem Schlummer reißt, verwirrt genug, um in den Tod zu stürzen.
    Doch sie stürzten nicht. Im Gegenteil: Sie fassten sich erstaunlich schnell. Und endlich setzten sie sich in Bewegung. Hetzten los.
    Kyra blieb keine Zeit, um aufzuatmen. Sie spürte den Feind in ihrem Rücken.
    Keuchend schloss sie zu den anderen auf, und zu viert liefen sie um ihr Leben.

Ein verzweifelter Plan
    Über den Hügeln zuckte ein Blitz aus der Schwärze des Himmels herab, und bald darauf ertönte ein ohrenbetäubender Donnerschlag.
    »Ein Gewitter«, stöhnte Kyra, ohne ihr Tempo zu verlangsamen. »Wir müssen uns beeilen, sonst ist es zu spät.«
    Keiner der anderen wusste, was sie vorhatte. Doch sie alle waren viel zu sehr außer Atem, um lange Diskussionen zu führen. Allen war klar, dass Kyra irgendetwas plante, und das war immerhin besser als überhaupt keine Aussicht, den Mann im Mond abzuschütteln.
    Er war immer noch hinter ihnen, sie konnten das geisterhafte Knirschen seiner Dornententakel in der Weite des Hügellandes hören. Ihr Vorsprung war größer geworden, doch diesmal schien sich ihr Gegner davon nicht abschrecken zu lassen. Er folgte ihren Spuren, und früher oder später würde er sie einholen.
    Lisa schätzte, dass er ungefähr zweihundert Meter hinter ihnen war, die Länge seiner Fangarme nicht mit eingerechnet. Sie konnte ihn sehen, wenn sie sich umwandte, schemenhaft erkennen, obwohl seine Gestalt manchmal durch Hecken und Büsche verdeckt wurde. Und sie spürte, dass er näher kam, unaufhaltsam wie eine Naturgewalt. Wie das Gewitter.
    Lisa hatte keinen Schimmer, welcher Geistesblitz Kyra gekommen war, als sie mit der Hexe gesprochen hatte. Die Freunde waren zu weit weg gewesen, um zu verstehen, was vor der Bühne geredet wurde.
    Aber es gab keine Alternativen – sie mussten Kyra vertrauen.
    Sie liefen wieder nach Norden. Die Stadtmauer hatten sie schon vor mehreren Minuten hinter sich gelassen. Keuchend folgten sie dem Verlauf einiger Feldwege, zwängten sich unter Stacheldraht hindurch und erklommen knarrende Holzgatter.

Erst als vor ihnen der Wall des Bahndamms emporwuchs, erkannten Lisa und die beiden Jungen, wohin Kyra sie führte.
    »Aber wir haben doch eben erst darüber gesprochen, dass wir nicht zum Hügelgrab –«, begann Nils, wurde aber von Kyra unterbrochen:
    »Ich weiß, was wir gesagt haben.« Sie hustete, als sie sich im Laufen verschluckte. »Aber manchmal muss man Pläne eben ändern.«
    »Die Hexe wird wissen, wohin wir laufen«, gab Chris zu bedenken. Er hatte die beste Kondition, aber selbst ihm machte die Hetzjagd zu schaffen.
    Obwohl sie den Mann im Mond nicht hinter sich sehen konnten, war seine Anwesenheit doch deutlich zu spüren. Trotzdem war die Verlockung groß, einfach stehen zu bleiben und auszuruhen. Eine Stimme in ihrem Unterbewusstsein flüsterte Lisa immer wieder zu, dass ein unsichtbarer Feind kein gefährlicher Feind war. Es kostete einige Überwindung, solchen Einflüsterungen keine Beachtung zu schenken.
    Laufen. Immer weiterlaufen.
    Sie stürmten den Bahndamm hinauf, kratzten sich die Haut an den Brombeerbüschen auf und erreichten schließlich den verrosteten Schienenstrang. Zwischen den Gleisen wuchs kniehohes Unkraut. Ein kleines Tier raschelte durchs Gestrüpp und versteckte sich vor den nächtlichen Störenfrieden.
    Lisa blickte nach hinten. Von hier aus, der
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