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Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Titel: Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano
Autoren: Kai Meyer
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genagt. Noch einmal schaute der Gargoyle Chris an, gackerte erneut, dann schob er sich die Finger in die spitzen Teufelsohren. Ja, tatsächlich, er ahmte Chris nach!
    Chris zwang sich zu einem Lächeln und nickte. »Richtig so«, sagte er leise. »Du machst das ganz toll.«
    Der Gargoyle sah ihn aus großen Augen an. Er war offenbar völlig irritiert, dass er den Motorenlärm nicht mehr hören konnte. Mit einem kurzen Plopp zog er die Finger wieder heraus und schüttelte sich erschrocken, als der Krach erneut an seine Ohren drang. Geschwind steckte er die Finger zurück. Ein Ausdruck von Zufriedenheit legte sich über das hagere Teufelsgesicht.
    Chris nahm seine Hände langsam herunter und packte den Lenker. Hielt die Luft an. Drehte am Gas.
    Jaulend schoss die Vespa vor, in einem Bogen um den sitzenden Gargoyle herum und auf der anderen Seite in die Mündung des nächsten Korridors. Einmal noch schaute Chris sich um und sah, dass das bizarre Wesen immer noch dasaß, ihm den Rücken zuwandte und wippte, die Finger tief in den Ohren vergraben.
    Der Anblick stimmte Chris traurig. Nicht alle diese Kreaturen waren auf Mord und Zerstörung aus. Dass man sie dennoch eingekerkert hatte, erschien ihm ungerecht und gemein.
    Ohne auf weitere Hindernisse zu stoßen, bog er in den Ostflügel und hielt vor den Türen der Forscherunterkünfte. Er ließ den Motor laufen, sprang vom Sattel und stürmte in Doktor Richardsons Zimmer.
    Das Rollo vor dem neu verglasten Fenster war als Schutz gegen die Sonne herabgezogen worden – es war gelb, und der Professor hatte schon bei ihrer Ankunft gescherzt, dass Doktor Richardson gewiss nur deshalb ausgerechnet dieses Zimmer für sich ausgewählt hatte. Jetzt erfüllte der Schimmer, der durch den Filzstoff fiel, den Raum mit einem ungesunden Zwielicht. Chris’ Haut sah aus, als hätte er Gelbsucht.
    Unter dem Fenster stand ein Schreibtisch, daneben türmte sich auf dem Boden ein hoher Stapel Aktenordner. Ein offener Koffer mit schmutziger Wäsche befand sich mit allerlei anderem Kleinkram – einem Kosmetikkoffer, einem Reisebügeleisen und einer Waschmitteltube – neben dem zerwühlten Bett.
    Auf dem Schreibtisch lag ein aufgeschlagenes Buch in lateinischer Sprache, augenscheinlich eine wertvolle Handschrift, die Doktor Richardson in keiner Bibliothek der Welt hätte ausleihen können – zumindest nicht auf legalem Wege. Daneben entdeckte Chris einen Block, auf dem die Amerikanerin anscheinend Passagen aus dem Buch ins Englische übertragen hatte. Er erinnerte sich an Kyras Worte, rollte den Block zusammen und steckte ihn sich in den Hosenbund.
    Die Fernbedienung! Wo steckte das blöde Ding nur?
    Chris blickte aufmerksam durchs Zimmer, dann wieder hinüber zum Fenster – und erstarrte schlagartig.
    Auf dem herabgezogenen Rollo war ein riesenhafter Umriss erschienen.
    Chris wagte kaum mehr zu atmen, wurde mucksmäuschenstill. Dann aber fiel ihm die Vespa ein. Das Wummern des Motors musste dort draußen deutlich zu hören sein.
    Inmitten der schwarzen Silhouette glühte ein Augenpaar, so hell, dass es sich sogar auf dem Rollo abzeichnete. Aus den Schultern des Wesens wuchsen zwei mächtige Hörner, zwei weitere ragten aus seinem Schädel.
    Ob die Glutaugen ihn durch den Filzstoff hindurch sehen konnten? Chris lief ein Schauder über den Rücken, seine Knie begannen zu zittern.
    Unendlich langsam löste er seinen Blick von dem Umriss und suchte weiter.
    Da – die Fernbedienung lag am Boden neben dem Bett, zwischen aufgeschlagenen Büchern, benutzten Papiertaschentüchern und einer braunen Bananenschale.
    Sachte machte er einen Schritt darauf zu, dann noch einen. Schließlich bückte er sich vorsichtig nach vorne und hob das handtellergroße Gerät vom Boden. Hoffentlich waren die Batterien nicht leer.
    Der Schatten vor dem Fenster war größer geworden. Zugleich schrumpften die Augen zu immer helleren Lichtpunkten zusammen, konzentrierten sich mehr und mehr wie die Mündung eines Laserskalpells.
    Er kann mich sehen, schoss es Chris durch den Kopf. Er kann mich, verdammt noch mal, sehen!
    Panisch schaute er sich nach etwas um, das er als Waffe benutzen konnte. Wahrscheinlich ein aussichtsloser Versuch, angesichts eines solchen Gegners. Aber er würde sich nicht ohne Gegenwehr geschlagen geben. Niemals!
    An der Wand lehnte etwas, das er für ein mittelalterliches Trinkhorn hielt. Es war etwas länger als Chris’ Arm, zu einem Halbkreis gebogen und lief an einer Seite spitz aus. Ob es stabil
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