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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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hat? Es wird nicht glücklich sein, wenn wir seiner Brut zu nahe kommen.«
    »Ich habe noch nie von Dämonen gehört, die Eier legen«, entgegnete Kyra.
    »Und ich noch nie von welchen, die wie Störche aussehen und Nester bauen«, gab Nils zurück.
    »Eins zu eins«, sagte Chris und beendete die Diskussion. »Wir stimmen ab. Wer ist dafür, aufs Dach zu klettern?«
    Er und Kyra hoben die Hände, und kurz darauf, mit sichtlichem Widerwillen, folgte Lisa ihrem Beispiel.
    Nils fühlte sich prompt von seiner Schwester hintergangen. »Aber gerade hast du noch gesagt, dass –«
    »Dass es gefährlich ist, ja. Und dass ich Angst habe. Aber glaubst du wirklich, ich schlafe noch eine Nacht in diesem Haus, wenn dieses … dieses Ding da oben sitzt?«
    Nils seufzte. »Wir sollten ein Fernglas mitnehmen. Und, ähem, vielleicht Messer oder so was in der Art.«
    »Schwerter«, sagte Kyra.
    »Maschinengewehre«, meinte Chris.
    »Dynamit«, ergänzte Lisa.
    Nils hob beide Hände und gab sich geschlagen. »Okay, okay … Aber das Fernglas hole ich trotzdem.«
    Wenig später, nachdem Nils den Feldstecher seines Vaters aus dessen Arbeitszimmer besorgt hatte, schlichen sie eines der drei Treppenhäuser hinauf, die zum Dachboden führten. Die Stufen endeten auf einer Brüstung mit hölzernem Geländer. Von dort aus zweigten drei Türen in verschiedene Speicherräume ab; die meisten standen leer.
    »Wie kommen wir am schnellsten aufs Dach?«, fragte Chris.
    Nils deutete über ihre Köpfe zur Decke. Dort befand sich eine quadratische Luke, an deren Verschluss ein faustgroßes Vorhängeschloss baumelte.
    »Mist!«, fluchte Kyra.
    Nils hielt plötzlich etwas Silbernes in der Hand, das er klimpernd vor Kyras Gesicht baumeln ließ – einen Schlüsselbund.
    »Ich hab nicht nur das Fernglas aus dem Zimmer meines Vaters geholt«, sagte er mit listigem Grinsen.
    Kyra atmete auf. »Gut gemacht.«
    Chris hatte derweil eine hohe Klappleiter herbeigeschafft, die neben einer Tür an der Wand gelehnt hatte. In Windeseile war sie aufgebaut und Chris hinaufgeklettert.
    »Welcher ist es?«, fragte er, als Nils ihm den Schlüsselbund reichte.
    »Keine Ahnung. Ich schlag vor, du probierst einfach alle aus.«
    Chris kletterte zur Spitze der Leiter und musste freihändig auf der oberen Sprosse balancieren, um die Schlüssel der Reihe nach in das Vorhängeschloss zu stecken. Die Leiter stand nur einen Meter von der Brüstung entfernt, hinter deren Geländer der Abgrund des Treppenhauses gähnte. Chris wirkte nach außen hin ruhig, doch wenn man genau hinsah, konnte man die Schweißtropfen auf seiner Stirn sehen. Ihm war keineswegs wohl in seiner Haut.
    »Was, wenn der Storch uns hört?«, fragte Lisa plötzlich.
    »Tagsüber schläft er«, meinte Nils.
    »Wer sagt das?«
    Nils hob die Schultern. »Nur ’ne Vermutung.«
    »Sehr beruhigend.«
    Da zischte Chris von oben: »Ich hab ihn.« Und schon sprang der Stahlbügel des Schlosses auf. Mit einem Blick herab zu seinen Freunden vergewisserte er sich, dass alle seine Entschlossenheit teilten. Dann presste er die Luke mit einem Keuchen nach außen. Die rostigen Scharniere verursachten ein schrilles Kreischen, das bis nach Giebelstein zu hören sein musste.
    »Jetzt weiß er, dass wir kommen«, maulte Nils verdrossen.
    Lisa lächelte schief. »Ich denke, er schläft? Waren das nicht die Worte des großen Meisters persönlich?«
    »Dann ist er jetzt eben aufgewacht«, gab Nils gereizt zurück.
    Kyra hatte die Nase voll vom Gezänk der Geschwister. Es war immer dasselbe mit den beiden: Insgeheim ein Herz und eine Seele, aber nach außen hin wie Katz und Maus. Ein wenig war es so wie zwischen ihr und Chris – nur dass sie niemals wirklich böse aufeinander wurden. Keilereien wie bei Lisa und Nils gab es zwischen ihnen nicht. Eher verlegene Blicke, wenn einer von ihnen merkte, dass er im Unrecht war und sich schämte, seine Niederlage einzugestehen.
    Tageslicht ergoss sich von oben über Chris. Ein helles Viereck leuchtete über seinem Kopf wie der Rumpf einer fliegenden Untertasse. Die Luke zum Dach stand offen. Ein scharfer Windstoß wehte von außen herein.
    »Na dann …«, flüsterte Chris und hangelte sich geschickt durch die Öffnung. Sekunden später kniete er außen am Rand der Luke und streckte den anderen beide Hände entgegen.
    »Scheint sicher zu sein hier oben«, rief er mit gedämpfter Stimme.
    Lisa atmete tief durch. »Okay, ich geh als Nächste.«
    Nils Wut verrauchte auf der Stelle. Er kletterte
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