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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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er.
    »Wir wollen ja auch erst einmal auskundschaften, wo das Vieh sich rumtreibt«, erwiderte Kyra.
    Nils schaute ihr in die Augen. »Du nimmst das alles ganz schön leicht, meinst du nicht?«
    »Haben wir denn eine andere Wahl?«, fragte sie. »Ich hab mir diese Dinger auf meinem Arm genauso wenig gewünscht wie du. Jetzt müssen wir uns nun mal damit abfinden.«
    Chris hatte seine letzte Toastscheibe aufgegessen. »Wir könnten versuchen, ihn mit Futter anzulocken. Ich müsste nur noch mal in die Speisekammer und –«
    Strafende Blicke aus drei Augenpaaren brachten ihn zum Schweigen.
    »War ja nur ein Vorschlag«, murmelte er grinsend.
    Nils zuckte mit den Achseln, dann schloss er sich den anderen an. Kyra hatte Recht: Ihnen blieb keine Wahl. Sie waren den Siegeln auf Gedeih und Verderben ausgeliefert.
    Durch die Eingangshalle liefen sie hinaus ins Freie. Der Vorplatz, den der hufeisenförmige Bau des Kerkerhofs umschloss, war mit weißem Kies ausgelegt. Die Steine knirschten unter den Füßen der Kinder. Auf der offenen Seite des Vorplatzes erstreckte sich das Panorama der Hügellandschaft, in die Giebelstein und seine Umgebung eingebettet lagen. Ein kühler Wind wehte von den Weiden und Feldern herüber.
    Die Kinder blickten an dem Gebäude hinauf. Die Dächer des Kerkerhofs waren wie ein Labyrinth – zahlreiche Giebel stachen wie umgedrehte Nasen aus den Schrägen, es gab kleine Türme und eine Unzahl von Kaminschloten, manche von gewöhnlicher Größe, andere so breit wie ein Mammutbaum.
    »Könnt ihr irgendwas sehen?«, fragte Chris. Ein Windstoß wirbelte ihm schwarze Haarsträhnen ins Gesicht. Lisa fand, dass ihn das ziemlich verwegen aussehen ließ.
    Kyras Blick streifte angestrengt über jeden Dachfirst. Auch sie konnte nichts entdecken. »Fehlanzeige«, murmelte sie.
    Ausgerechnet Nils war es, der ihr widersprach. »Wartet! Seht mal da drüben.« Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf das Dach des Südflügels.
    »Was meinst du?«, fragte Lisa.
    »Schau ganz genau hin. Da vorne, ungefähr zehn Meter neben der Satellitenschüssel.«
    Jetzt sahen sie es alle. Aber keiner konnte ganz genau erkennen, um was es sich handelte.
    Über dem Rand eines Dachfirstes schaute etwas hervor, das aus der Entfernung aussah wie ein Haufen schwarzer Wolle. Offenbar gab es dort eine Vertiefung im Gewirr der Dächer, die mit irgendetwas ausgefüllt war – es sah ein wenig aus wie der Kabelsalat hinter Kyras Stereoanlage.
    »Glaubt ihr, das ist es?«, fragte Lisa. Ihr wäre es lieber gewesen, sie hätten nichts gefunden. Vielleicht hätte sich dann ja wirklich alles als Traum herausgestellt. Dafür hätte sie sogar die Blamage in Kauf genommen.
    »Bestimmt«, meinte Chris. »Oder haben eure Eltern da oben so was wie ’ne illegale Müllhalde angelegt?«
    »Natürlich nicht«, gab Nils empört zurück.
    Kyra blinzelte, in der Hoffnung, dadurch Genaueres zu erkennen. »Zu weit weg«, murmelte sie.
    »An der Stelle treffen mehrere Dächer aufeinander«, sagte Nils. »Es sieht aus wie ein kleiner Innenhof mitten im Dach, nur dass er nicht bis zum Boden hinunterreicht.«
    »Einen besseren Nistplatz kann sich das Mistvieh gar nicht wünschen«, folgerte Kyra.
    »Hat schon mal einer von euch überlegt, dass es ein echter Storch sein könnte?«, fragte Chris. »Ich meine, schwarze Störche sind selten, aber trotzdem gibt es welche. Ich hab schon Fotos davon gesehen.«
    Kyra hob eine Augenbraue. »Waren auf den Fotos auch Geister mit Dämonenmasken, die rund um den Storch einen Reigen tanzten?«
    »Vielleicht ist der Storch nur aus Versehen in diesen Ball hineingeraten.«
    »So wie du vorletzte Nacht in die Speisekammer?«, fragte Kyra und grinste. »Solltet ihr etwa alle beide Schlafwandler sein?«
    Chris verzog das Gesicht und schwieg.
    »Hat jemand einen vernünftigen Vorschlag, was wir jetzt unternehmen könnten?«, fragte Nils.
    »Hm«, machte Kyra nachdenklich. »Ich würde mir das da oben ganz gern mal aus der Nähe ansehen.«
    Chris verdrehte die Augen. »Ich wusste, dass du das sagen würdest.«
    »Nicht wahr?« Kyra schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »So was nennt man Gedankenübertragung.«
    Lisa zögerte. »Ich weiß nicht … Ich meine, ich hab dieses Vieh gesehen, und es sah ziemlich gefährlich aus.«
    »Eben«, sagte Kyra. »Und wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird es ziemlich gefährlich werden .«
    Nils nickte. »Zum Beispiel, wenn man sich in der Nähe seines Nests herumtreibt. Was, wenn es Eier gelegt
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