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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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in schimmernde Dornenranken.
    Vier Eier. Schwarz und spiegelnd wie flüssiger Teer. Jedes so groß wie ein Schäferhund.
    »Das darf doch nicht …«, entfuhr es Chris voller Entsetzen, aber er führte den Satz nicht zu Ende. Das Grauen verschlug ihm die Sprache.
    Nils fingerte an seinem Fernglas und hielt es sich vor die Augen. Seine Hände zitterten.
    Kyra beobachtete ihn. »Sehen die Dinger von nahem irgendwie anders aus?«
    »Größer«, erwiderte er spröde. »Darum nennt man es Vergrößerungsglas.«
    Chris schmunzelte, mehr noch, als er Kyras sauertöpfische Miene sah.
    Sie wollte etwas erwidern, doch im selben Moment entdeckte sie etwas aus ihrem Augenwinkel. Etwas Großes. Hinter ihnen!
    Die Satellitenschüssel!, raste es ihr durch den Kopf. Mach dich nicht verrückt!
    Aber der riesige Umriss in ihrem Rücken bewegte sich plötzlich, und ein lautes Flattern ertönte. Die Kinder wurden von einem heftigen Luftzug ergriffen, der sie fast von der Schräge fortriss.
    Der schwarze Storch stand aufrecht auf dem Rand der Schüssel und spreizte seine Schwingen. Er war noch größer als in Lisas Erinnerung und viel größer, als die anderen es erwartet hatten.
    Seine leeren weißen Augen glitzerten verschlagen auf die Kinder herab. Das schwarze Gefieder war gesträubt vor Zorn. Die gewaltigen Schwingen, groß und gespreizt wie die Torflügel einer Kathedrale, vibrierten im Wind. Der Sog, den ihr Öffnen verursacht hatte, ebbte schlagartig ab.
    Sein Schnabel sauste herab wie eine blutrote Sense.

Gejagt!
    Kyra packte Chris an der Schulter. Riss ihn zur Seite.
    Dort, wo er eben noch gelegen hatte, schmetterte der Schnabel durch Schiefer und Balken. Zersplitternde Dachziegel explodierten in alle Richtungen, Staub und Moosfasern spritzten auseinander.
    Einen Augenblick lang blieb der Schnabel stecken.
    Es waren diese drei, vier Sekunden, in denen den Freunden die Flucht gelang. Geistesgegenwärtig schlitterten sie rückwärts die Schräge hinab, halb unter Schock, halb vom Mut der Verzweiflung getrieben.
    Sie erreichten den ebenen Grund am Fuß der Satellitenschüssel. Keiner wagte, zu dem schwarzen Storch emporzublicken. Majestätisch thronte er hoch über ihnen und befreite mit einem schrillen Schrei seinen Schnabel. Seine Schwingen schlugen vor und zurück. Windstöße peitschten das Dach wie ein heftiger Sturm.
    Tobend vor Wut stieg die Bestie in den Himmel und beobachtete aus der Höhe ihre flüchtenden Opfer.
    »Wohin?«, brüllte Chris, der immer noch mit der Gewissheit kämpfte, nur um Haaresbreite dem Tod entronnen zu sein.
    »Weiter … hier, in diese Richtung«, stammelte Lisa.
    »Schneller!«, rief Nils außer Atem. »Er ist über uns!«
    Kyra konnte nicht anders – sie schaute hoch zum Himmel.
    Die Kreatur schoss auf sie herab wie ein Kampfflugzeug in einem alten Kriegsfilm – mit dem glücklichen Unterschied, dass es nicht aus Maschinengewehren auf sie feuerte. Doch der Gedanke, wie ein Stück Schaschlik aufgespießt zu werden, war kaum angenehmer. In ihrer Vorstellung konnte Kyra den scharfen Schnabel schon in ihrem Rücken spüren.
    »Nach links!«, schrie sie mit überschnappender Stimme.
    Die anderen gehorchten instinktiv.
    Zumindest Lisa rettete dies das Leben. Der rote Schnabel schoss an ihr vorüber. Stattdessen wurde sie von einer der Schwingen gestreift, von den Füßen gerissen und mehrere Meter weit zur Seite geschleudert.
    Nils und Chris rissen sie gemeinsam an den Armen hoch und erkannten erleichtert, dass sie immer noch laufen konnte. Wie durch ein Wunder hatte der mächtige Flügel keinen ihrer Knochen gebrochen.
    Während der Storch eine weite Schleife flog, um schließlich erneut auf die Kinder herabzustoßen, erklommen die Freunde die letzte Schräge. Auf der anderen Seite ließen sie sich kurzerhand hinunterpurzeln. Chris glitt über den Rand der Dachluke und verschwand in der Tiefe. Sie hörten es poltern, als er im Sturz die Leiter umriss. Immerhin bremste das seinen Fall.
    Kyra zögerte nicht, sprang blindlings hinterher. Lieber ein paar Prellungen als ein Loch im Bauch! Beinahe zu spät fiel ihr ein, wie nah die Luke am bodenlosen Abgrund des Treppenhauses lag. Im Sturz sah sie die Brüstung näher kommen, landete dann aber krachend auf der sicheren Seite.
    Als Nächstes folgte Lisa. Chris versuchte, sie aufzufangen, und wurde dabei halb unter ihr begraben. Keuchend rappelten die beiden sich hoch, starrten gemeinsam mit Kyra zur Öffnung hinauf.
    Wo blieb Nils?
    »Nils!«, brüllten
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