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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre
Autoren: Peter Stamm
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Fachhochschule in Dessau. Dann gewannen wir einen Wettbewerb für ein soziales Wohnbauprojekt in Linz. Wir sind wieder im Geschäft, sagte Sonja, als sie mir die gute Nachricht überbrachte.
    An diesem Abend feierten wir. Wir brachten Sophie zu den Schwiegereltern und gingen in ein gutes Restaurant. Meinst du, wir können das auf Geschäftsspesen nehmen?, fragte Sonja. In einem halben Jahr ist die Wohlverhaltensperiode vorbei, sagte ich, dann sind wir schuldenfrei und können machen, was wir wollen. Ich hätte nicht gedacht, dass wir den Neuanfang schaffen. Kennst du dieses Gefühl, nicht umdrehen zu können, immer weiter gehen zu müssen in dieselbe Richtung? Und das Schlimme ist, dass diese Vorstellung etwas Reizvolles hat. Wer resigniert, muss sich nicht bemühen, sagte Sonja. Vielleicht, sagte ich. Ich habe einfach keinen Ausweg mehr gesehen. Sonja schüttelte den Kopf. Aufzugeben sei immer feige. Auch wenn du am Ende verlierst, dann ist es doch besser, wenn du gekämpft hast. Dafür liebe ich dich, sagte ich, für deinen unverbrüchlichen Optimismus. Sonja schien die Ironie in meiner Stimme nicht zu bemerken. Mit Optimismus hat das nichts zu tun, sagte sie, als kränke sie meine Bemerkung, es ist eine Frage der Einstellung.

Un d sie lebten glücklich und zufrieden, sagte Antje. Komm, sagte ich, wir gehen zurück. Sonja wird sich bestimmt wundern, wo wir bleiben. Auf dem Rückweg fragte Antje mich, was ich vorhabe. Ich habe nichts vor, sagte ich. Und das mit Iwona ist endgültig vorbei? Es ist abgeschlossen, sagte ich. Antje schaute mich an mit einem skeptischen Blick. Wollen wir hoffen, dass es für sie auch vorbei ist, sagte sie.
    Wir sind wieder da, rief ich und schloss die Tür hinter mir. Es war kurz nach Mittag. Antje sagte, sie packe schnell ihre Sachen. Ich trat ins Wohnzimmer und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Sonja stand am Fenster. Als sie sich umdrehte, sah ich, dass sie gerötete Augen hatte. Ich fragte, ob sie Hunger habe, ob ich etwas kochen solle? Sie schwieg. Was ist los?, fragte ich. Sonjas Blick hatte etwas Verzweifeltes. Sie ging zum Sofa und wieder zurück zum Fenster. Mit dem Rücken zu mir fing sie an zu sprechen, so leise, dass ich sie kaum verstand. Ich tat, als verstünde ich nicht, ich wollte es nicht verstehen.
    Was heißt das, du gehst nach Marseille? Ich setzte mich aufs Sofa, und Sonja setzte sich neben mich, den Kopf in die Hände gestützt. Ich bin nicht glücklich hier, sagte sie.
    Wir saßen lange schweigend nebeneinander. Einmal legte ich ihr den Arm um die Schultern, aber sie war so steif, dass die Umarmung misslang und ich den Arm wieder zurückzog. Ich dachte an die absurdesten Dinge, daran, dass wir unsere Sachen aufteilen müssten, dass das Haus Sonjas Eltern gehörte, was unsere Angestellten sagen würden. Ich dachte an alles, aber ich empfand nichts außer Verwirrung und einer Art Schrecken, der weder positiv noch negativ war. War das Antjes Idee? Sonja schien froh zu sein, endlich reden zu können. Sie sagte, Antje wisse nichts davon. Sie habe sich schon lange entschieden. Als sie in Marseille gewesen sei, habe sie gemerkt, wie viele Möglichkeiten sie noch habe, was in ihr stecke. Hat es mit Albert zu tun? Sonja schüttelte den Kopf. Sie habe sich nie wohl gefühlt hier, das sei nicht ihre Welt. Du wolltest ein Haus am See, sagte ich, du wolltest hierher ziehen in die Nähe deiner Eltern, ich wäre immer lieber in der Stadt geblieben. Sonja lachte, aber es klang, als sei sie dem Weinen näher. Darüber hätten wir uns auch vorher mal unterhalten können. Ich hatte das Gefühl, wir verstünden uns besser in letzter Zeit, sagte ich. Darum geht es doch nicht, sagte Sonja. Du brauchst mich nicht mehr.
    Antje kam herauf und sagte, sie habe gepackt. Ob außer ihr noch irgendjemand Hunger habe. Sonja sprang auf und lief zu ihr und führte sie am Arm aus dem Zimmer. Nach vielleicht zehn Minuten kam sie zurück und setzte sich wieder neben mich.
    Wir redeten, obwohl es keinen Sinn hatte. Sonja hatte unsere Beziehung längst aufgegeben, es ging ihr nur noch darum, mir ihre Gründe klarzumachen und den Schaden zu begrenzen. Die Diskussion drehte sich im Kreis. Ich widersprach ihr, vielleicht aus Feigheit, obwohl ich wusste, dass sie recht hatte. Ich hatte mich arrangiert mit der Situation, ich war nicht unzufrieden. Aber Zufriedenheit genügte Sonja nicht. Kann sein, dass es schiefgeht, sagte sie, aber dann habe ich es wenigstens versucht.
    Irgendwann kam Antje wieder
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