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Sieben Jahre Sehnsucht

Sieben Jahre Sehnsucht

Titel: Sieben Jahre Sehnsucht
Autoren: Sylvia Day
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nicht wahr?« Sie bog den Kopf zurück, um ihre Schwester ansehen zu können. »Du weißt noch, wie er damals war, oder?«
    Jess nickte. Ihre Augen und ihre Nase waren rot vom Weinen.
    »Was bedeutet das?«, fragte Hester verzagt. »Wie kann es sein, dass ich froh über seinen Tod bin und gleichzeitig tieftraurig?«
    Eine Weile herrschte Schweigen, bis Jess schließlich vorsichtig sagte: »Vielleicht bist du traurig über den Verlust dessen, was hätte sein können, und gleichzeitig dankbar dafür, dass das, was es stattdessen war, vorbei ist.«
    »Vielleicht.« Hester schmiegte sich enger an Jessica, suchte deren Wärme. »W-was soll ich jetzt t-tun? Wie s-soll es w-weitergehen?«
    »Von einem Tag auf den anderen. Du stehst auf, du isst, du wäschst dich, du redest mit den wenigen Menschen, die du im Moment ertragen kannst. Mit der Zeit wird der Schmerz etwas nachlassen. Mit jedem Monat, der verstreicht, ein bisschen mehr.« Jessica strich mit den Fingern durch Hesters offenes Haar. »Bis du eines Morgens aufwachst und feststellst, dass der Schmerz nur mehr eine Erinnerung ist. Er wird dich immer begleiten, aber die Macht verlieren, dich zu zerstören.«
    Tränen strömten aus Hesters Augen, netzten das Mieder von Jessicas Kleid. Ohne nachzudenken, hatte sich Jess vollbekleidet mit ihrer Schwester ins Bett gelegt und ihr instinktiv die dringend benötigte Nähe geboten.
    »Wahrscheinlich sollte ich glücklich sein«, flüsterte Hester, »dass ich das Kind meines toten Gatten nicht länger austragen muss, doch ich kann es nicht. Es tut zu weh.«
    Ein Schluchzer entrang sich ihrer Brust, ein animalischer Laut wie von einem verwundeten Tier. Nichts Tröstliches oder Befreiendes lag darin, nur tiefes, ungezähmtes Leid. »Ich wollte dieses Kind, Jess. Ich wollte mein Kind haben …«
    Jessica wiegte ihre Schwester sanft in den Armen, redete mit leiser Stimme auf sie ein, um sie zu beruhigen. »Es wird andere Kinder geben. Eines Tages wirst du das Glück erleben, das du verdienst. Eines Tages wirst du alles haben, was du dir wünschst, und wirst im Rückblick verstehen, dass alles, was dir widerfahren ist, seinen Sinn hatte.«
    »Sag nicht so etwas!« Eine neue Schwangerschaft war für Hester völlig undenkbar. Es erschien ihr als schrecklicher Verrat an dem Kind, das sie gerade verloren hatte. Als wären Kinder ersetzbar. Austauschbar.
    »Was immer geschieht, ich werde bei dir sein.« Jessica küsste ihre Schwester auf die Stirn. »Wir werden es gemeinsam durchstehen. Ich liebe dich.«
    Hester schloss die Augen. Jess war die Einzige, der sie solche Worte glaubte. Denn selbst Gott hatte sie im Stich gelassen.
    Zutiefst erschöpft kam Alistair zu Hause an. Jessicas Schmerz war der seine, und er fühlte mit ihr die Trauer und das Entsetzen, die ihr Leben gegenwärtig überschatteten.
    Er überreichte Hut und Handschuhe dem bereitstehenden Butler.
    »Ihre Hoheit erwartet Sie in Ihrem Arbeitszimmer, Mylord.«
    Ein Blick auf die Standuhr verriet Alistair, dass es bereits kurz vor ein Uhr morgens war. »Wie lange wartet sie schon?«
    »Seit nunmehr fast vier Stunden, Mylord.«
    Es waren eindeutig keine guten Nachrichten, die sie ihm mitzuteilen hatte. Sich auf das Schlimmste einstellend, begab sich Alistair ins Arbeitszimmer und fand seine Mutter lesend auf dem Sofa vor. Sie hatte die Beine seitlich angezogen und eine dünne Decke über ihren Schoß gelegt. Im Kamin brannte ein Feuer. Der Kandelaber auf dem Tisch neben ihr spendete ihr Licht zum Lesen und hüllte ihre dunkle Schönheit in goldenen Glanz.
    Sie blickte auf. »Alistair.«
    »Mutter.« Er ging zum Schreibtisch und legte den Mantel ab. »Was ist los?«
    Sie musterte ihn eingehend. »Vielleicht sollte ich das eher dich fragen.«
    »Es war ein langer Tag und ein noch längerer Abend.« Müde seufzend, ließ er sich auf den Schreibtischstuhl sinken. »Was ist dein Begehr?«
    »Muss ich immer irgendetwas wollen?«
    Er starrte sie an, bemerkte den angespannten Zug um ihre Augen und den Mund, Anzeichen, die er erst vor Kurzem bei Lady Regmont festgestellt hatte – und die bei einer Frau auf eine unglückliche Ehe hindeuteten. In Jessicas Gesicht würde er dies niemals sehen, denn eher würde er sterben, als ihr Kummer zu bereiten.
    Als er keine Antwort gab, schob Louisa die Decke beiseite und schwang die Beine über den Rand des Sofas. Sie faltete die Hände im Schoß und straffte die Schultern. »Wahrscheinlich verdiene ich deinen Argwohn und dein Misstrauen. Ich war
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