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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan
Autoren: Henry Rider Haggard
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gelüftet zu halten.
    Doch ist dies nur eine kleine illustrierende Vermutung, denn welches Recht hätte ich, Allan Quatermain, aufgrund meines geringen angelesenen Wissens und meiner sicherlich falschen Schlußfolgerungen irgendein Urteil über die Theorien der alten Ägypter zu fällen? Doch reichen diese, so wie ich sie verstehe, aus, mich in der Gewißheit zu bestärken, daß der Mensch nicht Eines ist, sondern Vieles, wobei in diesem Zusammenhang daran erinnert sei, daß Er in der Bibel oft davon gesprochen hat, das Haus vieler Dämonen zu sein – sieben waren es, glaube ich –, und, um ein völlig anderes Beispiel anzuführen, daß die Zulus von ihren Medizinmännern behaupten, in ihnen wohne eine ›Vielzahl von Geistern‹.
    Jedenfalls bin ich mir einer Sache absolut sicher: daß wir nicht immer dieselben sind. Verschiedene Persönlichkeiten beherrschen uns zu verschiedenen Zeiten. Zu einer Stunde ist die Leidenschaft dieser oder jener Art unser Herr, zu einer anderen sind wir die Vernunft selbst. Zu einer Stunde folgen wir den niedersten Verlangen, zu einer anderen hassen wir sie, und der Geist, der sich aus dem Morast der Sterblichkeit erhebt, scheint durch uns oder über uns wie ein strahlender Stern. Zu einer Stunde haben wir den Wunsch, zu töten und niemanden zu verschonen, zu einer anderen sind wir von heiligem Mitleid erfüllt, selbst gegenüber einem Insekt oder einer Schlange, und bereit, zu vergeben wie ein Gott. Alles beherrscht uns für eine gewisse Zeit, und in einem solchen Maße, daß man sich manchmal zu wundern beginnt, ob wir selbst überhaupt etwas beherrschen.
    Der Grund für diese Betrachtungen ist nun, daß ich, Allan, der nüchternste und phantasieloseste aller Menschen, nichts anderes als ein einfacher, halbgebildeter Jäger und Händler, der zufällig einen guten Teil jener kleinen Welt kennengelernt hat, die ihm vom Schicksal vorbestimmt worden war, in einer Periode meines Lebens das Opfer spiritueller Sehnsüchte wurde. Ich bin ein Mensch, der im Verlauf seines Lebens viel Trauriges erlebt hat, das meine Seele verwundete, da meine Gefühle, vielleicht wegen meiner recht primitiven und einfachen Natur, sehr stark sind und ich nicht die vergessen kann, die ich einst liebte, und die, wie ich annahm, mich liebten. Denn, wie Sie wissen, neigen wir in unserer Eitelkeit zu der Annahme, daß bestimmte Menschen, zu denen wir nähere Beziehungen unterhielten, uns wirklich mochten, und bilden uns in unserer noch größeren Eitelkeit – oder soll ich es besser ›Wahnsinn‹ nennen – ein, daß sie uns noch immer mögen, obwohl sie die Erde verlassen haben und in irgendeiner anderen Form und in eine andere Welt eingetreten sind, die, falls sie existieren sollte, vermutlich sehr viel angenehmer ist als alles, was sie hier erlebt haben mögen. Von Zeit zu Zeit überfallen uns jedoch schwere Zweifel in dieser Angelegenheit, über die wir so sehnsüchtig die Wahrheit zu erfahren suchen. Und dahinter verbirgt sich ein noch viel stärkerer Zweifel, nämlich, ob sie überhaupt leben.
    Über mehrere Jahre meiner einsamen Existenz haben diese Zweifel mich Tag für Tag verfolgt, bis ich schließlich nichts auf dieser Welt mehr ersehnte, als mich ihrer auf die eine oder die andere Art zu entledigen. In Durban hatte ich einmal einen Mann kennengelernt, der Spiritist war, und dem ich einige meiner verwirrenden Probleme anvertraute. Er lachte mich aus und sagte, daß sich das ohne jede Schwierigkeit klären ließe. Alles, was ich zu tun hätte, wäre, ein gewisses, hiesiges Medium aufzusuchen, das mir für ein Honorar von einer Guinea (Pfund) alles sagen würde, was ich zu wissen wünschte. Obwohl es mir um die Guinea leid tat, da ich zu der Zeit noch mehr als normalerweise an Geldmangel litt, suchte ich dieses Medium auf, möchte jedoch über das Resultat dieses Besuches – oder vielmehr über dessen absoluten Mangel an Resultaten – einen Schleier breiten.
    Mein seltsames und vielleicht nicht normales Sehnen blieb jedoch und ließ sich nicht besänftigen. Ich beriet mich mit einem Kleriker, den ich gut kannte, einem klugen und in seinem Fach versierten Mann, doch konnte der mich nur auf die Bibel verweisen, und er erklärte mir – sehr zu Recht, wie ich meine –, daß man sich mit dem zufriedengeben müsse, was sie enthülle. Dann las ich einige mystische Werke, die mir empfohlen worden waren, und die eine Menge Worte enthielten, die mein Taschenwörterbuch nicht verzeichnete, mich jedoch nicht
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