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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan
Autoren: Henry Rider Haggard
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hypnotischen und mesmerischen Kraft die Illusion vorgegaukelt, mich zu irgendeinem Ort jenseits der Erde zu bringen, und in die Höllen des Hades, um mir das zu zeigen, was den Augen der Menschen verborgen ist, und nicht allein mir, auch dem wilden Krieger Umslopogaas von der Axt und Hans dem Hottentotten, die meine Begleiter bei diesem Abenteuer waren. Und es gab noch viele andere Dinge, die gleich unglaublich waren, wie ihr plötzliches Erscheinen bei der Schlacht mit Rezu. Doch um nicht zu weit abzuschweifen: die Summe der Ereignisse war, daß man mich schamlos hintergangen hat, und wenn jemand sich in einer solchen Lage befindet, wie es wohl den meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben geschieht, so gebietet die Weisheit, daß er die Umstände besser für sich behält.
    So standen also die Dinge, oder vielmehr, so lagen sie in den Nischen meiner Erinnerung – und in dem Schrank, in dem ich meine Manuskripte verberge –, als eines Abends Captain Good, ein Mensch von romantischer Veranlagung, der eine starke Neigung – eine zu starke, glaube ich oft – zur Literatur besitzt, mir ein Buch ins Haus brachte und darauf bestand, daß ich es lese.
    Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß es ein Roman war, lehnte ich das ab, denn, um ehrlich zu sein, ich habe nicht das geringste für Romantik in irgendeiner Form übrig, weil ich festgestellt habe, daß die harten Tatsachen des Lebens hinreichend Stoff bieten.
    Ich gebe zu, daß ich gern lese, doch wie bei allen anderen Dingen ist auch darin mein Horizont begrenzt. Ich studiere, zum Beispiel, gerne die Bibel, besonders das Alte Testament, sowohl wegen seiner heiligen Botschaft, als auch wegen seines majestätischen Stils, an den mich die Worte Ayeshas, die ich so dürftig aus ihrem fließenden und melodischen Arabischen übersetzte, erinnern: für Dichtung halte ich mich an Shakespeare und – am anderen Ende der Skala – an die Ingoldsby Legenden, von denen ich viele beinahe auswendig kenne, während ich mich, was die aktuellen Belange betrifft, mit der Times und der Field begnüge, wobei letztere mir besonders liegt, weil sie nüchtern und ohne Übertreibungen, wie es meiner Veranlagung entgegenkommt, über Ereignisse der Jagd berichtet, an der ich für so viele Jahre beruflich interessiert war.
    Ansonsten lese ich alles, was sich mit dem alten Ägypten befaßt und mir irgendwie in die Hände gerät, weil dieses Land und seine Geschichte eine seltsame Faszination auf mich ausüben, die ihre Wurzeln in Ereignissen oder Träumen haben mag, von denen an dieser Stelle besser nicht gesprochen werden sollte. Schließlich lese ich hin und wieder lateinische oder griechische Autoren in englischer Übersetzung, da mir meine mangelhafte Bildung, wie ich gestehen muß, leider nicht gestattet, sie im Original zu lesen. Zur modernen Dichtung habe ich allerdings keinerlei Beziehung, obwohl ich hin und wieder während einer Eisenbahnfahrt etwas davon lese und mich oftmals über derartige Exkursionen ins Poetische und Unrealistische amüsiere.
    So geschah es, daß ich, je mehr Captain Good mich bedrängte, diesen Roman zu lesen, um so entschlossener wurde, dies nicht zu tun. Da er jedoch ein sehr hartnäckiger Mensch ist, legte er das Buch, als er gegen zehn Uhr nachts ging, genau vor meine Nase, damit ich es nicht übersehen konnte. So kam ich nicht umhin, einige ägyptische Hieroglyphen zu bemerken, die in einem Oval auf dem Schutzumschlag zu sehen waren, und ich sah auch den Titel, und unter diesem Ihren Namen, mein Freund, was alles meine Neugier erregte, besonders der Titel, der kurz und rätselhaft war und nur aus einem einzigen Wort bestand: »SIE«.
    Ich nahm das Buch zur Hand, und als ich es zum ersten Mal aufschlug, fiel mein Blick auf das Bild einer verschleierten Frau – und der Anblick ließ mein Herz stocken, so schmerzlich erinnerte es mich an eine gewisse verschleierte Frau, die kennenzulernen ich einst das Glück hatte. Als ich von diesem Bild zu der bedruckten Seite blickte, schien ein Wort mir entgegenzuspringen. Es war ›Kôr‹! Nun gab es sicherlich eine Menge verschleierter Frauen auf der Welt, aber gab es auch zwei Kôrs?
    Dann wandte ich mich dem Text zu und begann zu lesen. Dies war im Herbst, wenn die Sonne sich nicht vor sechs Uhr erhebt, doch es war bereits heller Tag, als ich mit dem Lesen aufhörte, oder, besser gesagt, vom Durchfliegen des Buches.
    Oh! Was sollte ich davon halten? Denn hier, auf seinen Seiten fand ich mich wieder von
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