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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus!
Autoren: Christian Strzoda
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in der Rettungswache, hatten den Fernseher angeschaltet und erfreuten uns unseres Nudelfertiggerichtes. Zum seichten Fernseh­entertainment des Spätprogrammes gehörten nicht nur Krankenhausserien, sondern auch die x-ten Wiederholungen der Sendung über das waghalsige Rettungsteam des Medicopter 117 , das mit actiongeladenen Szenen für Unterhaltung sorgen möchte. Lenny wollte diesen Käse auf jeden Fall sehen, weil er die leichte Unterhaltung schätzte. Ich akzeptierte es zähneknirschend und schob die Nudeln in mich hinein.
    Dieser ganze Serienmüll lässt in jedem Fall eines vermissen: den medizinischen Realismus. Eine wesentliche Erkenntnis dieser Serie war, dass alle Rettungskräfte oder Ärzte Superhelden mit unbeschränktem medizinischen Fachwissen, erhabener Eloquenz und magischem Charisma waren. Also so, wie der normale Mensch niemals sein kann oder wird.
    Der Zuschauer sitzt abends auf seiner Couch, hat eine Tüte Chips vor der Nase stehen und möchte gerne unterhalten werden. Er will einfach nur bequem gaffen und in die Abgründe unserer Gesellschaft blicken. Fatalerweise glaubt er, dass Serien wie Medicopter 117 hierzu das notwendige Schlüsselloch bieten. Vorgesetzt wird dem Zuschauer aber eine trübe Brühe aus medizinisch inkompetentem, vor Fehlern nur so strotzendem Gesülze und außerhalb jeglicher Realität liegender Fälle.
    In dieser Medicopter-117- Folge bekam ich Folgendes serviert: Ein Arbeiter stürzt unter Umgehung berufsgenossenschaftlicher Vorschriften von einer Leiter und verletzt sich vermutlich an der Wirbelsäule.
    Bereits in den ersten Minuten strahlen gestylte Ärzte und athletische Rettungsassistenten auf dem Bildschirm, die ihre teuren Autos vor der Wache parken. Möglicherweise ist mir entgangen, dass Besatzungen eines Rettungshubschraubers ein sehr viel höheres Gehalt bekommen, als ich es als bodengebundener Retter jemals erreichen könnte. Aber der Porsche im Hof hätte wirklich nicht sein müssen. Nachdem das peinliche Actionintro und die ersten Sequenzen hinter dem Zuschauer liegen, landet der Hubschrauber inmitten der Einsatzszenerie auf dem Fabrikgelände. Rettungswagen? Fehlanzeige. Dass der Rettungswagen sowie das bodengebundene Notarzteinsatzfahrzeug abgesehen von wenigen Ausnahmen grundsätzlich immer alarmiert und der Hubschrauber nur als schnelle Transportmöglichkeit dazuberufen wird, weiß offenbar niemand. Dies würde eine derartige Serie ja auch komplett überflüssig machen.
    »Sie haben Glück gehabt. Ihre Wirbelsäule scheint in Ordnung, soweit ich das feststellen kann«, konstatierte die Ärztin beim aus großer Höhe herabgestürzten Patienten. Frau Doktor hat wohl den Röntgenblick aufgesetzt.
    »Nur der Halswirbelbereich hat etwas abbekommen.« Die Ärztin besitzt offenbar eine für den Fernsehzuschauer unsichtbare Glaskugel, die sie zur Diagnose eingesetzt hat.
    In dieser Folge werden Rettungskräfte in nicht abgesicherte Einsatzszenarien hineinbugsiert, was jedem echten Retter beim Zusehen nur die Sprache verschlagen kann. Und es kommt natürlich, wie es kommen muss: Während die Notärztin zurückläuft, um das nach der Bauarbeiterrettung zurückgelassene Equipment zu holen, stürzt sie beim Versuch, das Material über eine schmale Leiter zu erreichen, und bleibt handlungsunfähig am Fuße dieser Leiter liegen.
    Irgendwann kommt der Obersanitäter dann auf die brillante Idee, die Feuerwehr zur Rettung einzuschalten. Dummerweise wird die Feuerwehr laut Leitstelle geschlagene 25 Minuten bis zum Einsatzort benötigen – zu lang für die Ärztin und fern jeglicher Realität. Bei Einsätzen mit derartigem Gefahrenpotenzial wird die Feuerwehr üblicherweise gleich mit alarmiert. Die Hilfsfrist beträgt je nach Bundesland zehn bis 15 Minuten, bis das Feuerwehrfahrzeug an der Einsatzstelle eintreffen muss. Also haben wir es auch hier mit völligem Quatsch zu tun.
    Ohne Feuerwehr oder Notärztin muss der Obersanitäter selbst ran. Es gilt jetzt, die Strecke zur mittlerweile bewusstlosen Ärztin in einem möglichst kurzen Zeitraum zurückzulegen. Erschwerend kommt nun aber hinzu, dass diese Strecke aufgrund eines Defektes an einem Ventil einer Anlage plötzlich überflutet ist. Um die Ärztin zu erreichen, muss also getaucht werden. Was in der Realität die Kollegen von der Wasserwacht mit ihren Tauchern übernehmen, macht der Obersanitäter in dieser Folge völlig bereitwillig selbst. Hierzu bedient er sich einer Sauerstoffflasche, an die er eine Maske
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