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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Madeleine Roux
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Zombie und greift zu, beginnt zu zerren. Es sind zu viele von ihnen, und sie kämpfen alle gegen mich, drei, dann vier und dann fünf Hände, die an seinen Beinen zerren. Er ruft, dass ich fester ziehen soll. Ich gebe alles, aber die Stütze gibt nach, und wir rutschen beide abwärts.
    »Allison«, sagt er, sein Arm löst sich. Er lächelt und öffnet den Mund, will noch mehr sagen, aber er fällt schon; die Arme weit geöffnet, versinkt er wie ein Taucher, der in einen schäumenden Pool fällt. Ich stolpere, um seine Hand zu erwischen, aber sie ist schon außer Reichweite. Dann kann ich sein strähniges rotblondes Haar und sein lebendes Fleisch nicht mehr länger von dem Meer aus Armen und Körpern unterscheiden. Hilflos sehe ich mit an, wie die Untoten ihn unter sich begraben.
    Meine Axt steckt im Damm, wo Julian sie gelassen hat. Ich rüttle sie frei und stehe. Ich gehe. Ich muss.
    Ich höre den Regen, den Donner und den Klang des Todes, der zu meinen Füßen schreit und darauf beharrt, dass ich zur Ernte gehöre. Dann vernehme ich meinen Atem, tief und befreit, und einen Nachhall von Julians Lachen – ein so unerwarteter Klang, so hochwillkommen, dass ich nicht anders kann, als auch zu lachen. Für einen Moment ist es, als wäre er noch da, sänke neben mir auf die Knie, hielte sich die Brust und würde lachen und lachen.
    Aber er ist weg, und ich bin allein, kalt und durchnässt. Der Himmel über mir strahlt kobaltblau, die Wolken drehen sich und rasen in eine unvorhersehbare Richtung.
    Ich steige weiter den Damm zur Brücke hinauf, sehe hinab auf die Dämonen und in ihre gierigen Mäuler und werfe einen Blick auf das, was mein Schicksal hätte sein können. Ich erkenne tiefe Einschnitte im Grund und Löcher, die wie Detonationskrater aussehen. Ich haste zum Sockel der Brücke, wo der Beton ein bis anderthalb Meter dick ist. Ich gehe in die Mitte und blicke noch einmal auf den Weg, den ich gekommen bin. Es sind so viele von ihnen. Arme Seelen. Arme ruhelose Seelen.
    In der plötzlichen Stille spüre ich den eiskalten Regen. Der Weg nach unten führt in einen steilen Abgrund, an dessen Boden ein unschönes Rendezvous mit einer Horde Untoter auf mich wartet. Irgendwo da drin – wahrhaftig und friedlich tot, wie ich hoffe – steckt ein Freund. Die Dämonen knurren und schnaufen, bilden einen endlos scheinenden Teppich aus Schwarz und Grau. Auf der Brücke, wo die Feuer brannten, verläuft eine Spur aus geschmolzenem Pech. Nur noch Andeutungen des Feuers sind geblieben, der verkohlte Geruch von Rauch, der Geist der Flammen.
    Ich sehe die Limousine auf der anderen Seite der Brücke, die im Leerlauf auf mich wartet. Ich will nicht gehen, noch nicht, aber jetzt, wo die Feuer erloschen sind, hält nichts mehr die Untoten auf, die Rampe zu erklimmen und auf die andere Seite zu kommen. Die Hupe dröhnt. Sie warten.
    Eine plötzliche Verrücktheit ergreift mich. Ich lehne mich über den Rand und suche nach irgendeinem Zeichen von meinem Freund. Fast erwarte ich, Julian die nackte Wand hinaufklettern zu sehen, lachend und fluchend, aber das tut er nicht … natürlich nicht.
    »Ich könnte da unten bei dir sein«, sage ich und richte mich wieder auf.
    Renny drückt auf die Hupe und ruft mich. Aber bevor ich gehe, blicke ich noch einmal über den Rand. Ich halte die Axt hoch und lasse sie fallen. Sie dreht sich und fällt unten in die brodelnde Menge.
    »Danke«, sage ich. »Nun muss ich gehen. Unsere Freunde warten.

15. N OVEMBER 2009 –
    Ü BERDIE F REIHEIT
    Noch vor knapp zwei Monaten war ich gewöhnlicher Durchschnitt. Hätte man mir damals eine Axt gegeben, so hätte ich geglaubt, wir würden Feuerholz hacken oder müssten einen abgebrochenen Ast zerkleinern. So bin ich nicht, nicht mehr.
    Das ist hier nicht Utopia. Das muss ich wahrscheinlich nicht extra betonen. Es ist nicht das Paradies, nicht auf lange Sicht. Aber ich glaube, ich kann etwas dazu sagen, was ich vorher von keinem Ort mit Sicherheit sagen konnte: Es ist mein Zuhause.
    Sicher, im Buchladen dachte ich, alles sei verhältnismäßig gut, und in den Apartments darüber glaubte ich, das würde funktionieren, und ich hatte wirklich gehofft, aus der Arena könnte eine dauerhafte Sache werden, aber das hier – das ist ein wirkliches Heim mit richtigen Gebäuden, echter Privatsphäre, echten Betten und Leuten, die willens sind, eine Gemeinschaft zu bilden. Das macht den Unterschied. Wir sind hier eines Geistes. Nicht in einem bizarren, intellektuellen
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