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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Madeleine Roux
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abwechselnd laut vorlesen. Sie sehen mich fragend an, wollen Führung und Erklärungen.
    »Was bedeutet erhaben?«, fragen sie. »Was ist besudeln?«
    Es läuft nicht immer alles glatt, ist nicht immer alles einfach. Selbstredend gibt es auch Schwierigkeiten, Überraschungen und Schocks. Als ich jenen Park verließ, glaubte ich, eine Gruppe Freunde zu verlassen, die ich nie wiedersehen würde. Aber ich habe mich geirrt. Tatsächlich haben Ned, Evan, Mikey und Collin überlebt. Sie waren sogar noch vor uns hier, die verrückten Bastarde.
    Wir sind ihnen erst am zweiten Tag über den Weg gelaufen. Am ersten Tag taten wir nichts außer essen, schlafen und ausruhen. Man gab uns auf dem Feuer geröstetes Hühnchen, und wir fraßen wie die Wilden, rissen das angekohlte Fleisch von den Knochen, schwelgten in den heißen Säften, die uns über das Gesicht rannen. Ich erinnere mich an einen Moment, als Renny mit Fleisch- und Kohlestückchen in den Zähnen lächelte und ich mich so erlöst fühlte, als hätte ich uns vier den ganzen Weg auf meinem Rücken hergeschleppt. Das ist natürlich nicht wahr. Wir haben alle unseren Teil der Last getragen. Ich sagte nichts über das eklige Zeug zwischen ihren Zähnen, sie war so zufrieden und befreit.
    Tag zwei brachte eine ganze Wagenladung voller Überraschungen. Als wir endlich erwachten (irgendwann gegen Mittag, schätze ich), warteten Gäste vor unserer Behausung. Die Hütten hier sind nicht groß, aber massiv, auf dieselbe Weise errichtet, wie die Pioniere damals ihre Grenzerhütten bauten. Colorado war in dieser Hinsicht schon immer etwas lächerlich, aber wie die Leute hier dem Unglück mit Herz und Verstand begegnet und wie sie daran gewachsen sind, ist bemerkenswert. Als wir (Ted, Renny und ich) es endlich geschafft hatten, unsere Hintern aus den Betten zu wälzen, stießen wir prompt auf Ned und seine Kinder, die schüchtern draußen warteten. Evan trug sein Piraten/ Wall-E -Kostüm, zu dem Ned ihm einige Tage nach Halloween verholfen hatte. Ned zufolge wollte er es nicht mehr ausziehen – ›nicht, bis Allison es gesehen hat‹.
    Nach der Verblüffung und der Freude darüber, sie hier anzutreffen, musste ich Collin finden. Ned erzählte mir mit dem üblichen Charme von seiner Anwesenheit und seinem Überlebenskampf und erinnerte mich mit einem sehr dezenten Wink daran, stark zu sein und für mich einzustehen. Ted und Renny starrten ihn an, als ob wir wirres Zeug schwätzten, aber ich wusste genau, wovon er sprach. Ich verließ sie, damit sie nachholen konnten, was sie sich an Geschichten zu erzählen hatten. Ich würde schon noch alles über Evans Halloween erfahren, und ich wollte wissen, wie sie uns gefunden hatten. Ned hatte es mir nicht erzählt, sondern nur gesagt: »Frag Collin, es war seine Schuld.«
    Ich fand Collin, der beim Bau des neuen Waisenhauses half. Ein Gebäude aus roh behauenen Baumstämmen in der nordwestlichen Ecke der Stadt. Er hatte seine schwarze Militärkluft endlich abgelegt und trug ein verwaschenes graues T-Shirt und Jeans. Er sah entzückend aus, etwas abgenutzt und sehr englisch. Sein Gewehr lehnte in sicherer Nähe an der Mauer und sah gut gewartet aus.
    Ich brachte ihm eine Limonade.
    »Danke«, sagte er. Wir entfernten uns ein Stück von der Baustelle.
    Die Limonade war lauwarm. Wir suchen immer noch nach einer Möglichkeit, Eis zu machen. Collin nippte an seinem Getränk und betrachtete mich mit seinen dunklen, ernsten Augen über den Rand des Pappbechers hinweg.
    »Ich bin froh, dass du es geschafft hast«, sagte er und wischte sich den Schweiß von den Schläfen. »Ich wusste, du packst das.« Da war ein Schmunzeln, das ich nicht richtig einordnen konnte, eine leise Selbstzufriedenheit, die mir Rätsel aufgab.
    Rätsel …
    »Scheiße.«
    »Was?«, fragte er, und ich sah ein Lächeln hinter dem Pappbecher hervorschießen.
    »C in C. Du bist C in C.«
    »Rätsel gelöst«, sagte er und neigte seinen Kopf wie vor einem alten geschätzten Kollegen. »Gut gemacht, Holmes.«
    »Dann … dann hast du gewusst, wie du herkommst? Du hast meinen Blog gelesen?«
    »Wir sind bei einer Familie in Rockford untergekommen, die so freundlich war, uns ihren Computer benutzen zu lassen«, erklärte er. Klar, ein Teil von mir war darauf gefasst, dass er sich mir entzieht, zu der alten familiären Bindung steht, die ihn von mir trennt, aber sein Gesichtsausdruck blieb geradezu schmerzhaft offen, regelrecht gespannt. Der andere Teil von mir hoffte gegen jede
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