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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Madeleine Roux
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bewegen sich, die Tritte unter uns geben nach, sinken tiefer und tiefer den krallenden Händen der Untoten entgegen, die unten warten. Ich kämpfe dagegen an und versuche, meine Füße in den Boden zu graben, irgendetwas zu tun, um zu verhindern, dass ich abrutsche, aber das Betonteil unter meinen Füßen gibt endgültig nach und stürzt auf die gebrochenen Schädel der Zombies, die sich in meine Füße verkrallt haben. Der von oben nachrutschende Matsch schiebt mich vorwärts, quillt unter Ellenbogen und Knie und zieht mich mit sich.
    Es gibt einen Halt über mir, dort, wo Julians Fuß steht. Wenn ich danach greife, könnte das für uns beide das Ende bedeuten, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich rutsche, verliere den Halt …
    »Halt dich fest«, schreit er.
    »Es ist zu hoch! Scheiße! Ich rutsche!«
    »Greif zu!«
    Der Regen trommelt mir in die Augen, braune Matschklumpen fallen von Julians Schuhen in mein Gesicht. Ich kann kaum sehen, habe aber keine Hand frei, um mir die Augen zu wischen. Julian zeigt mir seine Hand, öffnet und schließt seine Finger vor meinem Gesicht.
    »Hoch!«, schreit er. »Hoch!«
    In meinem Hinterkopf erklingt ein gewaltiger Marsch, der klingt, als würde ein gestörtes Kind rhythmisch wie ein Herzschlag auf einem Xylophon trommeln und mir befehlen, nach oben zu greifen.
    Plötzlich erkenne ich, dass es der Mary-Poppins -Song ist, der sich krachend den Weg in meinen Kopf bahnt, als hätte jemand den Text genommen, auseinandergerissen, mit Nägeln und Leder beschlagen und wieder zusammengesetzt:
    Let’s go fly a kite
    Up to the highest height!
    Es wiederholt sich gnadenlos, der Rhythmus wird schneller, verrückter, bis ich sicher bin, dass mein Herz von dem Lärm explodiert. Julian zappelt herum und schreit. Ich kann ihn nicht hören, höre nur das Lied, losgelöst und durch mein Hirn dröhnend wie ein schwindliger Riese …
    Let’s go fly a kite
    And send it soaring
    Schreiend vor Schmerzen greife ich nach dem Pfeiler und ziehe, kreische durch zusammengebissene Zähne, als ich meine Finger darum schließe und mich hochziehe, nicht loslasse, den Griff um ein Stück Metall gekrampft. Das ist es. Letzte Chance. Es heißt jetzt rauf oder runter, leben oder sterben. Ich fühle, wie eine harte, knochige Hand sich um meinen rechten Knöchel schließt.
    Ich habe es fast geschafft, der Schmerz, die Erschöpfung sind einen Moment lang vergessen, während ich mein letztes Quäntchen Kraft mobilisiere, um mich hoch genug zu ziehen, um den nächsten Halt ergreifen zu können. Ich fühle ein Zerren an der Schulter, blicke auf. Julian hat mich am T-Shirt gepackt und hievt mich hoch, die andere Hand an der Axt, die er wie einen Pickel in den Damm gerammt hat. Die Hand des Zombies reißt am Handgelenk ab, und ich trete mir seine Finger vom Knöchel. Eine Sekunde lang hänge ich fast frei in der Luft, frei, fliegend, und sehe in die Gesichter unter mir. Die leeren, starrenden Augen und offenen Münder. So viele Augen …
    Die Stütze hält uns beide, aber ich fühle, wie sie allmählich unter unserem Gewicht nachgibt. Julian presst sich an den Damm, und ich klettere über seinen Rücken und seine Schultern nach oben, auf sicheren Grund. Ich kann sehen, wie er sich mit der Brust gegen den Schlamm stemmt, seine Augenlider flattern vor Schmerz. Ich will mir nicht vorstellen, wie sich sein gebrochener Arm, sein verletztes Bein anfühlen …
    »Gib mir deine Hand, ich zieh dich hoch«, sage ich und strecke ihm den Arm entgegen. »Gib mir deine Hand!«
    Er lässt nach. Der letzte Schub, um mich nach oben zu bringen, hat ihn zu viel Kraft gekostet. Sein Kopf sinkt in den Matsch, sein Körper zittert entkräftet. Ich wedele mit meiner Hand vor seinem Gesicht. Er ist groß und schwer, aber es braucht nur eine Anstrengung, einen kurzen monumentalen Kraftakt – das kann ich schaffen, das steckt noch in mir.
    »Komm! Gib mir die Hand!«, schreie ich. Er blickt auf, seine Augen blinzeln wie verrückt, um das Wasser abzuwehren. Er ist bereit aufzugeben, ich sehe es. »Gib mir jetzt deine Scheiß-Hand, Julian!«
    Dann ist seine Hand in meiner, seine Finger wickeln sich um mein Handgelenk. Ich greife fest zu und lehne mich zurück, quetsche meine Schulterblätter zusammen, bis sie sich berühren. Aber es passiert nichts. Ich ziehe und ziehe, doch er steckt fest. Als ich über den Rand spähe, sehe ich, dass derselbe Zombie, der mich schon am Bein zu fassen bekommen hatte, ihn gepackt hat. Dann kommt ein weiterer
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