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Shoppen und fischen

Shoppen und fischen

Titel: Shoppen und fischen
Autoren: Emily Giffin
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Aber das war lange her.
    Jetzt war Jeremy Zahnarzt und praktizierte zusammen mit meinem Vater, und einen krassen K.-o.-Sieg hatte er seit mehr als zehn Jahren sicher weder gesehen noch abgekriegt, noch vorgeführt.
    Ungefähr genauso lange hatte ich diesen Ausdruck nicht mehr gehört – bis zu jener denkwürdigen Taxifahrt. Ich kam von Rachel und berichtete dem Fahrer von meiner grauenvollen Entdeckung.
    «Wow», sagte er, und man hörte sofort, dass er aus Queens kam. «Krasser K.-o.-Sieg, was?»
    «Ja», weinte ich und leckte meine Wunden. «Das kann man wohl sagen.»
    Die loyale, zuverlässige Rachel, meine beste Freundin seit fünfundzwanzig Jahren, die mein Interesse immer vor – oder wenigstens neben – ihr eigenes gestellt hatte, hatte mir einen krassen K.-o.-Sieg verpasst. Aus heiterem Himmel. Das Überraschungsmoment schmerzte mich am meisten bei ihrem Betrug. Die Tatsache, dass ich es nicht hatte kommen sehen. Man würde noch eher damit rechnen, dass ein Blindenhund seinen vertrauensvollenBesitzer geradewegs vor einen heranrasenden Tanklastzug führte.
     
    Ehrlich gesagt, die Dinge verhielten sich nicht ganz so einfach, wie ich es meinem Taxifahrer darstellte. Aber ich wollte nicht, dass er die Hauptsache aus den Augen verlor: Was Rachel mir angetan hatte. Ich hatte ein paar Fehler gemacht, aber ich hatte unsere Freundschaft nicht verraten.
    Es war eine Woche vor meinem Hochzeitstermin, und ich war zu Rachel gefahren, um ihr mitzuteilen, dass die Hochzeit abgesagt war. Mein Verlobter, Dex, hatte die schwierigen Worte – dass wir vielleicht doch nicht heiraten sollten – zuerst ausgesprochen, aber ich hatte ihm sofort zugestimmt, denn ich hatte eine Affäre mit seinem Kumpel Marcus. Die Dinge hatten ihren Lauf genommen, und nach einer besonders heißen Nacht war ich schwanger. Das alles war ungeheuer schwer zu schlucken, und das Schwierigste daran würde sein, Rachel die Sache zu gestehen, denn sie hatte zu Beginn des Sommers mildes Interesse an Marcus gezeigt. Die beiden waren ein paar Mal miteinander ausgegangen, aber die Romanze war im Sande verlaufen, nachdem – ohne ihr Wissen – meine Beziehung zu Marcus begonnen hatte. Ich hatte die ganze Zeit ein schrecklich schlechtes Gewissen – weil ich Dex betrog, aber noch mehr, weil ich Rachel belog. Trotzdem war ich bereit, meiner besten Freundin reinen Wein einzuschenken. Sie würde mich verstehen. Das tat sie immer.
    Also stand ich gefasst vor Rachels Tür an der Upper East Side.
    «Was ist los?», fragte sie, als sie mir öffnete.
    Ein tröstliches Gefühl durchflutete mich bei dem Gedankendaran, wie beruhigend und vertraut ihre Worte klangen. Rachel war meine mütterliche beste Freundin, mütterlicher als meine Mutter. Wie oft hatte sie mir diese Frage im Laufe der Jahre gestellt: Damals, als ich das Schiebedach am Wagen meines Vaters offen gelassen hatte und ein Gewitter kam, oder als ich plötzlich meine Periode kriegte und meine weiße ‹Guess›-Jeans komplett einsaute. Sie war immer da mit ihrem «Was ist los?», gefolgt von «Das kriegen wir wieder hin» in einem kompetenten Tonfall, der mich davon überzeugte, dass sie Recht hatte. Rachel kriegte alles wieder hin. Sie konnte mich trösten, wenn niemand sonst es konnte. Selbst jetzt, da sie enttäuscht hätte sein können, weil Marcus mich ihr vorgezogen hatte, würde sie souverän reagieren und mir versichern, dass ich mich richtig entschieden hätte, dass nichts grundlos geschehe, dass ich keine Schurkin sei, sondern zu Recht meinem Herzen folge, dass sie es völlig verstehe und dass Dex es irgendwann auch verstehen werde.
    Ich holte tief Luft und schwebte in ihre ordentliche Ein-Zimmer-Wohnung, während sie von der Hochzeit plapperte und mir versicherte, dass sie mir für die letzten Vorbereitungen jederzeit zu Diensten stehe.
    «Es gibt keine Hochzeit», platzte ich heraus.
    «Was?», fragte sie. Ihre Lippen wurden so blass wie ihr ganzes Gesicht. Sie wandte sich ab und setzte sich auf das Bett. Dann fragte sie, wer die Hochzeit abgeblasen habe.
    Ich fühlte mich jäh an die High School erinnert. Wenn sich da zwei trennten, was auf der High School immer ein sehr öffentliches Ereignis war, fragten Jungs und Mädchen gleichermaßen: «Wer war’s?» Alle wollten wissen, wer der Abservierer und wer der Abservierte war, damit sie in gebührenderWeise den einen beschuldigen und den anderen mit Mitleid überschütten konnten.
    Ich sagte, was ich auf der High School nie sagen konnte, denn ich
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