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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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niemanden treffen. Nicht Sarah. Nicht Micha, der hier wohnt. Und auch nicht Björn in Bonn. Denn ich habe mir vorgenommen, schon bei mir zu Hause, in meiner Villa in Florida, in der mich alle glauben, habe ich mir vorgenommen, alle in ihrem Glauben zu lassen. Selbst wenn es mich zu Björn hinzieht. Ich stelle mir vor, mit ihm eine Flasche Wein zu trinken. In seiner prächtigen Wohnung in der Poppelsdorfer Allee, in einer schicken Villa, keine fünf Minuten vom Bonner Bahnhof entfernt. Ich könnte mit dem Zug dorthin fahren, denke ich. Ihn vorher anrufen oder ihm, von mir geplant aber für ihn zufällig, über den Weg laufen. Wenn er, wie meistens, zwischen halb sieben und sieben nach Hause kommt.
    Ich werde nicht nach Bonn fahren. Es könnte hundertmal harmlos sein, jemanden zu treffen. Trotzdem habe ich beschlossen, jede Unbekannte in meiner Rechnung zu vermeiden. Das Risiko ist schon jetzt groß. Noch nicht unbeherrschbar. Aber es wächst. Jeden Tag.
    Der Anschlag in Frankreich steht mir im Weg. Die Konsequenzen, die man in Frankreich und bestimmt auch in Deutschland, die man vermutlich in ganz Europa aus diesem Vorfall ziehen wird, schränken meinen Bewegungsspielraum schon jetzt ein. Und sie werden ihn vermutlich noch viel mehr einschränken, als ich jetzt gerade befürchte.
    Sie werden nicht nur vorsichtiger sein. Sie werden nicht nur herrenlose Koffer in Europa unter schweren, extra dafür bereitgehaltenen Explosionsglocken sprengen. Nicht nur Minister und Parteivorsitzende werden sich zu Wort melden. Sich für mehr Kontrolle aussprechen und gleichzeitig für das Festhalten an der demokratischen Freiheit. Und hoffentlich, denke ich, wird man irgendwelche Islamisten ins Visier nehmen. Ich bin mir beinahe sicher, dass sie über die Risiken radikalislamischen Terrors sprechen werden und nicht über mich. Dass sie das Bedrohungspotenzial diskutieren und immer wieder feststellen werden, dass man solche Anschläge beim besten Willen und mit den allerbesten Sicherheitsvorkehrungen der Welt nicht zu 100 Prozent verhindern kann. Dass man wegen eines solchen tragischen und empörenden Anschlages die Errungenschaften der Demokratie nicht aufgeben darf. Diese Errungenschaften, die schon lange dabei sind, uns zu bedrohen. Sie lassen sich, ohne dass uns das bewusst wird, lassen sie sich leicht und mit einer ungeheuren Präzision gegen unsere Gesellschaft als Ganzes und noch leichter auch gegen jeden Einzelnen von uns verwenden.
    Vielleicht werden sie mich einen Mittäter nennen. Oder die deutsche Zelle der Terrorgruppe. Und so gründlich sie das können, werden die Geheim- und Nachrichtendienste, der Verfassungsschutz und Sonderkommissionen ermitteln. Werden in Frankreich, in Deutschland, in Italien, in ganz Europa werden mit Schutzwesten behangene Polizeibeamte sichtbar ihre MPs vor sich hertragen. Sie werden versuchen, ein Klima der Sicherheit dem Gefühl der Angst entgegenzustellen. Und doch werden sie nur noch mehr Angst verbreiten. Mit der demonstrativen Zurschaustellung ihrer operativen Macht werden sie die Menschen in eine nervöse Panik versetzen.
    Nicht nur auf der Straße, vor allem hinter den Kulissen werden sie mit allem Nachdruck tausende Spuren verfolgen. Spuren, die früher oder später zwangsläufig zu mir führen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und es wird schneller gehen, als es mir lieb ist. Denn schon heute, wegen Frankreich, haben sie ganz andere Mittel zur Hand. Die Motivation, mit der sie nach mir suchen, hat sich vervielfacht. Mit diesem Nachdruck und ihren erheblich erweiterten Möglichkeiten habe ich noch nicht gerechnet. Ich habe die Stärke meines Gegners. Nein. Es ist nicht seine Stärke, die ich falsch eingeschätzt habe. Aber sie ziehen ihre Kräfte jetzt schneller zusammen und ich werde immer weiter in die Enge getrieben.
    Man weiß nie, wie sich eine Sache entwickeln wird
. Denke ich. Und fange an mich zu ärgern. Wut durchströmt mich. Von meinem Bauch ausgehend dringt sie bis in meine Arme und Beine. Denn dass sie in Frankreich Carla umgebracht haben, verwässert meine Idee. Es wird dem, was ich der Welt zu sagen habe, gefährlich. Es schwächt meine Botschaft ab und bringt mein gesamtes Vorhaben ins Wanken. Und es wird sie in die Lage versetzen, nein, es versetzt sie schon jetzt in die Lage, mich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit ausfindig zu machen.

5
    Wenn sie nur zwei Haare von mir finden, jeweils eines an jedem Tatort, wissen sie Bescheid. Denke ich. Zwei
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