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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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den Headsets und Überwachungswagen sieht, wenn man nur einen Schritt weiterdenkt, dann sind all diese Sicherheitsvorkehrungen kein Zeichen der Stärke, sondern jede einzelne ihrer Präventionsmaßnahmen ist nichts anderes als ein kläglicher Versuch, sich der übergroßen eigenen Angst entgegenzustemmen. Ihre Szenarien sind Geschichten, die sie sich selbst erzählen, um sich zu beruhigen, und die sie sich so oft erzählt haben, dass sie mittlerweile schon selbst an ihre Geschichten glauben. Und es sind nicht mehr als Geschichten. Es sind komplexe Zeichen, mit denen sie versuchen die Welt, die sie nicht kontrollieren können, wenigstens gedanklich in den Griff zu bekommen. Denke ich. Und weiß, dass man diese Zeichen und Geschichten doch durchdringen kann. Man kann jeden dieser halb imaginären Verteidigungsringe überwinden. Das hat man ja gesehen. Heute. Weil sie in den engsten Sicherheitskreis des alten Präsidenten eingedrungen sind, mit einer von langer Hand geplanten Aktion. Oder vielleicht war es auch ein Zufallstreffer. Es kann durchaus sein, dass sie nur aus einem dummen Zufall heraus nicht ihn, sondern sie erwischt haben. Und sie auch nur deshalb, weil sie unvernünftigerweise genau in dem Moment das Fenster geöffnet hatte. Weil sie sich, wie die Sicherheitsverantwortlichen im Fernsehen nicht müde werden zu betonen, über einige Regeln hinweggesetzt hatte. Weil sie diese Regeln jetzt, da ihr Mann nichts mehr mit der Führung des Landes zu tun hat, nicht mehr ernst genommen hatte. Trotz Mali und trotz der Anschläge, mit denen man Frankreich bedroht hatte, hat sie offensichtlich lieber die frische Morgenluft genießen wollen. Die Brise Paris, die ihr zum Verhängnis geworden ist, weil keine gepanzerte Scheibe mehr zwischen ihr und dem Metallsplitter gewesen ist, der sich einen Sekundenbruchteil, nachdem das mit Sprengstoff bepackte Auto am Rand der dicht befahrenen Straße explodiert war, mehr zufällig als zielgerichtet in ihren Oberkörper gebohrt hat.

2
    Sie gehen nicht davon aus, dass sie überleben wird. Und das tun sie auch bei vier der fünf anderen Schwerverletzten nicht, die seit Stunden in Pariser Intensivstationen liegen, wo Ärzte um ihr Überleben kämpfen. Wo sich gerade jetzt ein hervorragender Chirurg darum bemüht, dass die Opferliste nicht noch länger wird. Dass zu den dreizehn Namen der bisher gezählten Opfer nicht auch der vierzehnte geschrieben werden muss, der eigentlich zentrale Name an diesem Tag, ihr Name.
    Sie werden es vermutlich nicht verhindern können. Die Ärzte geben den Franzosen nicht viel Hoffnung. Das scharfkantige, glühend heiße Schrapnell hat ihren Oberkörper förmlich zerfetzt, wie sie sagen. Und auch im Elysée-Palast hat man wahrscheinlich schon damit begonnen, die vielen fröhlichen Blumen beiseite zu räumen. Obwohl der Palast nicht mehr ihr Reich ist, ihres nicht und auch seines nicht mehr, hat man bestimmt angefangen, die Trauerflore aus den Schubladen zu nehmen, in denen sie immer bereitliegen. Auch an einem Tag wie heute, an dem kein Mensch der Welt geglaubt hätte, dass man sie so dringend brauchen würde.
    Er sei schon eingetroffen, sagen sie. Sei eilig aus England angereist, um sich zu verabschieden. Das erinnert mich an den Unfall von Lady Diana. Nur dass es diesmal kein Unfall war. Und mit dem Unterschied, dass dieser Tod ernstere Konsequenzen nach sich ziehen wird. Konsequenzen, die auch mich betreffen werden. Die meinen Plan stärker beeinflussen werden, als es mir lieb sein kann.

3
    Köln. Ich sollte nicht immer und immer wieder nach Köln fahren. Ich hätte auch in Berlin bleiben können. Oder nach Koblenz fahren. Nach Frankfurt. Offenbach. Bamberg. Es ist im Grunde egal, wo ich bin. Wo ich warte, bis ich den nächsten Schritt machen kann. Aber Köln gefällt mir, denke ich. Durch diese Stadt zu spazieren, macht mich. Nein, es macht mich nicht froh. Aber es bereitet mir Freude, in die Fenster der offenen Wohnungen zu schauen, mir die Auslagen anzusehen und Blicke in die Kneipen zu werfen, in denen die Menschen ihre Biere trinken und fröhlich den Rheinländer geben. Und nicht zuletzt, denke ich. Es ist bestimmt all das, es ist diese Stimmung, die ich an Köln mag. Und dass es eine kleine, eine wirklich überschaubare Stadt ist. Aber nicht zuletzt sind es auch meine Erinnerungen an Sarah, denke ich, die mich hierherführen. Weil ich hier in Köln für eine Handvoll Tage glücklich gewesen bin, komme ich immer wieder gerne in diese Stadt zurück.
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