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Shining

Shining

Titel: Shining
Autoren: Stephen King
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Jungen an. Danny zuckte zusammen. »Wir werden erfrieren!«
    »Wir müssen zum Geräteschuppen. Da liegt allerhand Zeug … Decken … und ähnliches. Setz dich hinter deine Mutter!«
    Danny stieg auf, und Hallorann wandte den Kopf nach hinten.
    »Mrs. Torrance! Halten Sie sich an mir fest! Festhalten!«
    Sie schlang die Arme um ihn und legte ihre Wange an seine Schultern. Hallorann startete das Schneemobil und gab vorsichtig Gas, damit das Fahrzeug ohne Ruck startete. Die Frau hatte keinen festen Griff, und wenn sie zurückrutschte, würden sie und ihr Junge nach hinten kippen. Hallorann beschrieb einen Kreis, und sie fuhren parallel zum Hotel in westlicher Richtung. Hallorann nahm Kurs auf den Geräteschuppen. Sie hatten jetzt einen guten Ausblick auf das Foyer des Overlook. Die Gasflamme, die durch den geborstenen Fußboden hochschoss, sah wie eine riesige Geburtstagskerze aus, ein giftiges Gelb im Kern und flackerndes Blau an den Rändern. In diesem Augenblick schien sie nur zu beleuchten, nicht zu zerstören. Sie sahen den Schreibtisch in der Rezeption, die silberne Glocke, die altmodische Registrierkasse, die Stühle mit den hohen Lehnen, die Roßhaarkissen. Danny konnte das kleine Sofa erkennen, auf dem die Nonnen gesessen hatten, als er und seine Eltern hier ankamen – bei Saisonschluss. Aber dies hier war erst der richtige Saisonschluss.
    Dann nahm ihnen die große Schneewehe vor der Eingangshalle die Sicht. Ein wenig später fuhren sie an der Westseite des Hotels entlang. Es war hell genug, um auch ohne die Scheinwerfer des Schneemobils sehen zu können. Die beiden oberen Stockwerke standen jetzt in Flammen, und Flammen züngelten aus den Fenstern. Die glänzende weiße Farbe war schwarz geworden und abgeblättert. Die Läden vor der Panoramascheibe der Präsidentensuite-Läden, die Jack, laut Instruktionen von Mitte Oktober, stets sorgfältig befestigt hatte – brannten jetzt lichterloh und zeigten die zerstörte Dunkelheit dahinter, wie sich ein zahnloser Mund zu einem letzten stummen Todesröcheln öffnet.
    Wendy barg ihr Gesicht an Halloranns Rücken, um den Wind von sich abzuhalten, und Danny schützte sich hinter seiner Mutter. Deshalb sah nur Hallorann diese letzte Szene, und er sprach nie darüber. Aus dem Fenster der Präsidentensuite löste sich eine riesige schwarze Erscheinung und warf ihren Schatten über die Schneewüste. Für einen Augenblick nahm sie die Gestalt einer riesigen obszönen Darstellung an, dann schien der Wind sie zu fassen, zu zerreißen und zu zerfetzen wie altes, dunkles Papier. Sie zerfiel und wurde in einer schwarzen Rauchsäule fortgewirbelt, und dann war sie verschwunden, als ob es sie nie gegeben hätte. Aber in den wenigen Sekunden, in denen die Lichtpartikelchen dunkel wirbelten und tanzten, erinnerte sich Hallorann an ein Ereignis aus seiner Kindheit … das fünfzig Jahre oder noch länger zurücklag. Er und sein Bruder hatten nördlich von ihrer Farm im Erdboden ein großes Wespennest gefunden. Es hatte im Wurzelwerk eines vom Blitz getroffenen Baumes gesteckt. Sein Bruder hatte im Hutband einen Knallfrosch gehabt, der vom Nationalfeiertag übrig geblieben war. Er hatte ihn angezündet und ihn auf das Nest geschleudert. Er war mit lautem Knall explodiert, und ein wütendes ansteigendes Summen – fast ein tiefer Schrei – war aus dem brennenden Nest aufgestiegen. Sie waren weggerannt, als seien Dämonen hinter ihnen her. Irgendwie glaubte Hallorann, dass es wirklich Dämonen gewesen sein mussten. Genau wie jetzt hatte er an jenem Tage über die Schulter zurückgeschaut und gesehen, dass eine große, dunkle Wolke von Hornissen in die heiße Luft aufstieg, sich verteilte und nach dem Feind suchte, der ihr Heim zerstört hatte.
    Dann war die Erscheinung verschwunden, und vielleicht war es nur ein großes Stück von der Tapete gewesen, was er gesehen hatte, und dann war das Overlook nur noch ein flammender Scheiterhaufen im brüllenden Schlund der Nacht.
    *
    Er hatte einen Schlüssel zum Vorhängeschloss am Geräteschuppen an seinem Schlüsselbund, aber Hallorann sah, dass er ihn nicht brauchte.
    Die Tür war angelehnt, und das Schloss lag auf dem Boden.
    »Ich kann da nicht reingehen«, flüsterte Danny.
    »Schon gut. Du bleibst bei deiner Mutter. Hier lag mal ein Stapel Pferdedecken. Inzwischen wahrscheinlich von Motten zerfressen, aber immer noch besser als erfrieren. Mrs. Torrance, sind Sie noch da?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie müde. »Ich glaube,
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