Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shining

Shining

Titel: Shining
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Rückenwirbel, drei Rippenbrüche und innere Verletzungen davongetragen. Der Rücken heilte nur sehr langsam, und des – halb benötigte sie noch das Korsett. Aber das war nicht die einzige Veränderung. Sie wirkte älter, und in ihrem Gesicht lag nur noch selten ihr früheres Lachen. Jetzt, während sie ihr Buch las, erkannte Hallorann an ihr eine Art ernste Schönheit, die ihr, als er sie vor neun Monaten kennen lernte, gefehlt hatte. Damals war sie mädchenhafter gewesen. Jetzt war sie eine Frau, ein Mensch, der in tiefste Dunkelheit gezerrt worden und aus ihr wieder herausgekommen war, um die Trümmer aufzusammeln. Aber, so meinte Hallorann, die Stücke passen nie wieder so zusammen, wie es einmal der Fall war. Nie im Leben.
    Sie hörte seine Schritte und sah auf. Gleichzeitig klappte sie das Buch zu. »Dick!« Sie wollte aufstehen und verzog vor Schmerz das Gesicht.
    »Nein, bleiben Sie sitzen«, sagte er. »Nur keine Umstände. Wir sind doch nicht auf einer Abendgesellschaft.«
    Sie lächelte, als er die Stufen heraufkam und sich neben sie auf die Veranda setzte.
    »Wie läuft es?«
    »Recht gut«, gab er zu. »Sie müssen heute Abend die Krabben a la Creole probieren. Die werden Ihnen schmecken.«
    »Abgemacht.«
    »Wo ist Danny?«
    »Gleich da unten.« Sie zeigte hinab, und Hallorann sah eine kleine Gestalt am Ende des Stegs sitzen. Er hatte die Jeans bis zum Knie aufgekrempelt und trug ein rotgestreiftes Hemd. Draußen auf der glatten Wasserfläche trieb ein Schwimmer. Alle Augenblicke holte er ihn ein, prüfte Senker und Haken und warf die Angel wieder aus.
    »Er wird braun«, sagte Hallorann.
    »Sehr braun.« Sie sah Danny liebevoll an.
    Hallorann nahm eine Zigarette heraus, klopfte sie und zündete sie an. Träge trieb der Rauch davon. Es war ein sonniger Nachmittag. »Was ist mit den Träumen, die er sonst immer hatte?«
    »Es ist besser geworden«, sagte Wendy. »In dieser Woche war es nur einmal. Vorher träumte er jede Nacht, manchmal zwei- oder dreimal. Die Explosionen. Die Hecken. Und am häufigsten … Sie wissen ja.«
    »Ja. Das wird schon alles in Ordnung kommen.« Sie sah ihn an. »Wirklich? Ich weiß nicht recht.«
    Hallorann nickte. »Sie und er sind zurückgekommen. Verändert, aber immerhin. Sie sind nicht mehr, was Sie einmal waren, aber das muss nicht schlecht sein.«
    Eine Weile herrschte Schweigen, und Wendy schaukelte in ihrem Stuhl. Hallorann hatte die Füße auf das Verandagitter gelegt und rauchte. Ein leichter Wind kam auf und strich durch die Tannen, aber Wendys Haar bewegte sich kaum. Sie trug es jetzt kurzgeschnitten.
    »Ich habe mich entschlossen, Als – Mr. Shockleys – Angebot anzunehmen«, sagte sie.
    Hallorann nickte. »Hört sich an, als könnte das ein vernünftiger Job sein. Etwas, das Sie vielleicht sehr interessant finden werden. Wann fangen Sie an?«
    »Gleich nach den Feiertagen. Wenn Danny und ich hier abreisen, fahren wir gleich nach Maryland, um eine Wohnung zu suchen. Eigentlich hat mich erst die Broschüre von der Handelskammer so recht überzeugt. Und ich möchte gern arbeiten, bevor wir zu viel von dem Versicherungsgeld ausgeben. Es sind noch über vierzigtausend Dollar. Das müsste für Dannys Studium und ein Startkapital für ihn reichen, wenn man es gut investiert.«
    Hallorann nickte. »Ihre Mutter?«
    Sie sah ihn an und lächelte müde. »Ich denke, Maryland ist weit genug.«
    »Sie werden doch alte Freunde nicht vergessen?«
    »Dafür würde schon Danny sorgen. Gehen Sie doch hin und begrüßen Sie ihn. Er hat den ganzen Tag gewartet.«
    »Ich auch.« Hallorann stand auf und zog seine weißen Kochhosen hoch. »Sie beide werden es schon schaffen«, wiederholte er. »Haben Sie nicht selbst das Gefühl?«
    Sie sah zu ihm auf, und ihr Lächeln war jetzt sehr viel freundlicher.
    »Ja«, sagte sie. Sie nahm seine Hand und küsste sie. »Manchmal glaube ich es selbst.«
    »Die Krabben a la Creole«, sagte er und ging zur Treppe. »Vergessen Sie es nicht.«
    »Nein.«
    Er ging den Kiesweg entlang zum Steg hinunter und dann über die verwitterten Bohlen bis an das Ende, wo Danny saß und die Füße in das klare Wasser hielt. Weiter hinten wurde der See breiter, und die Tannen an seinen Ufern spiegelten sich in ihm. Die Gegend war hügelig, es gab sogar größere Berge, aber sie waren nicht schroff, sondern abgerundet und von der Zeit gebeugt. Hallorann gefielen sie.
    »Na, fängst du auch was?« fragte Hallorann und setzte sich neben den Jungen. Er zog einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher